Re: Tobee ist für Bio Imker ein zugelassenes Bienenpflegemit
Servus Herbert,
austriabert schrieb:
natürlich müssen wir uns an Gesetze halten. Nachdem es als solches erlaubt ist, als was auch immer, verstoße ich gegen kein Gesetz, wenn ich Tobee zu den Bienen gebe
Das ist eben der Punkt, in dem viele irren: es ist nicht erlaubt. Als "Pflegemittel" vielleicht - aber das ist es nicht. Auf der Packung steht keine einzige Pflegewirkung ("strafft die Flügel", "macht das Haar geschmeidig") drauf und selbst der "Einstein" kann keine nennen. Dafür wird behauptet, es wirkt gegen Varroose und dazu gibt es auch Gebrauchsanweisungen. Daher ist es ganz klar ein Arzneimittel - ohne Zulassung. Das ist im Lebensmittelbereich kein Kavaliersdelikt mehr. Du kannst auch kein Cannabiol in Verkehr bringen, bloss weil Du es als "Duftlampenöl" deklarierst!
austriabert schrieb:
Ich treffe mich mit Dir in dem Punkt, daß wenn man Lebensmittel produziert, man gar nicht vorsichtig genug sein kann. Nachdem ich und sichtlich auch einige andere hier was nicht richtig verstehen, wäre es sehr hilfreich, wenn Du uns hier eine kurze Aufstellung machen würdest, welche Prüfungen in Bezug auf Honig/Wachs bei einer Arzneimittelzulassung vorgeschrieben sind und wenn du ganz toll lieb bist, gleich im Vergleich zu einer Biozulassung.
Gerne.
Für jeden Wirk- und Hilfsstoff, der in einem Arzneimittel für lebensmittelliefernde Tiere enthalten ist, gibt es einen sogenannten "MRL"-Wert. Diese Abkürzung steht für "Maximum residue level" und bezeichnet diejenige Konzentration im Lebensmittel, die vollkommen unbedenklich ist. Dieser Wert kommt so zustande, dass im Langzeit-Tierversuch ermittelt wird, welche Menge des Stoffes ein Tier jeden Tag zu sich nehmen kann, ohne dass es dabei zu irgendwelchen negativen Effekten kommt. Dieser Wert wird durch einen Sicherheitsfaktor (Ratten vertragen möglicher Weise mehr als Menschen) von idR 100 dividiert und man erhält den "ADI", den "Acceptable daily intake", also die Menge, die vom Mensch gefahrlos täglich aufgenommen werden kann. Dann schaut man sich an, wieviel vom betreffenden Lebensmittel von einem eifrigen Esser täglich verzehrt wird (Honig: 20g) und errechnet so die Konzentration im Lebensmittel, die nicht überschritten werden darf, um den ADI nicht zu erreichen. Diese Konzentration ist nun der "MRL-Wert", er wird für jeden Stoff und jedes Lebensmittel in einer Verordnung der EU publiziert und ist damit in allen EU-Ländern verbindlich. Stoffe, für die kein MRL-Wert festgelegt ist, dürfen lebensmittelliefernden Tieren nicht verabreicht werden.
Ziel der Prüfung auf Rückstände im Rahmen der Arzneimittelzulassung ist die Festsetzung einer Wartezeit, also der Zeit, die von der letzten Verabreichung der Arzneimittels verstreichen muss, bis die Rückstände des Arzneimittels im Lebensmittel wieder unterhalb des "MRL"-Wertes liegen. Dazu wird das Arzneimittel einer Gruppe von Tieren verabreicht und zu wenigstens 3 Zeitpunkten Lebensmittel von diesen Tieren gewonnen und auf Rückstände untersucht. Auf Basis der erhaltenen Werte lässt sich der Zeitpunkt berechnen, an dem der MRL sicher unterschritten wird, idR kommt dann noch ein Sicherheitsszuchlag dazu. Als Ergebnis erhalten wir die Wartezeit.
Honig ist hier wieder ein Sonderfall, da er anders als etwa Fleisch keinen eigenen echten Stoffwechsel hat, keine Pharmakokinetik eines Wirkstoffabbaus. Daher muss man bei Stoffen, die im Honig stabil sein können, von einer "0-Tage-Wartezeit" ausgehen, d.h. es dürfen zu keinem Zeitpunkt der Behandlung Rückstände oberhalb des MRL auftreten. Dieses Problem wird idR so gelöst, dass die Verabreichung der Arzneimittel nur bis maximal 2 Wochen vor dem Nektarfluss erlaubt ist, so dass der Honigeintrag erst beginnt, wenn die Behandlung schon ausreichend lange vorbei ist. Eine Behandlung während der Sammelperiode führt zwangsläufig dazu, dass Arzneimittelrückstände im Honig landen - was aber kein Problem sein muss, solange die Rückstände den MRL nicht überschreiten.
Diese Unterlagen werden der Zulassungsbehörde vorgelegt, diese prüft, ob bei den Untersuchungen alle relevanten Detailvorschriften (Validierung der analytischen Methode, Tierzahlen, Versuchsaufbau, GLP (Good-Laboratory-Practice) Zertifizierung der prüfenden Stelle,...) eingehalten wurden und die Ergebnisse die Festlegung der beantragen Wartezeit zulassen. Ggf. werden weitere Daten vom Zulassungswerber eingefordert.
Die Biozulassung in diesem Sinn gibt es gar nicht. Es gibt eine EU-Bio-Verordnung, in der die Stoffe gelistet sind, die im Bio-Landbau ohne Verschreibung durch einen Tierarzt eingesetzt werden dürfen. Mit Tierarzt-Rezept dürfen auch im Bio-Landbau (beinahe) alle Arzneimittel eingesetzt werden. Die Bio-Verordnung enthält aber nur die Stoffe und nicht die Bezeichnung der Produkte unter deren Namen diese Stoffe vermarktet werden. Zur Arbeitserleichterung der Bio-Bauern sowie der Kontrollstellen hat der österreichische Privatverein "infoXgen" einen Katalog herausgegeben, in dem die Produkte aufgelistet sind. Firmen können nun bei infoXgen beantragen, dass ihr Produkt in diese Liste aufgenommen wird. Dazu prüft infoXgen, ob die Inhaltsstoffe des Produkts lt. Bio-Verordnung im Bio-Landbau erlaubt sind. Sie prüfen nicht, ob eine anderweitige notwenige Zulassung vorliegt oder ob das Produkt "wirksam" ist. Daher ist "tobee" auch als "Bienenpflegemittel" im Bio-Katalog zu finden, während Ameisen- und Oxalsäure unter der Rubrik "Varroabekämpfung" stehen. infoXgen ist aber ein Privat-Verein und keine staatliche Behörde wie dies in der Arzneimittelzulassung der Fall ist. Eine Listung im Bio-Katalog hat daher bestenfalls für die Bio-Kontrollstelle verbindlichen Charakter, für den Amtszierarzt, der die Arzneimittelgebarung kontrolliert, jedoch überhaupt nicht. Der interessiert sich für Zulassung, Rezeptpflicht, Abgabebeschränkungen, Wartezeiten udgl.
Falls noch Fragen zu weiteren Details bestehen: nur her damit.
lg,
Sebastian