Vorsichtige Schritte richtung Behandlungsfreiheit

Vorsichtige Schritte Richtung Behandlungsfreiheit

Ich berichte hier verkürzt über einen Vortrag aus dem Umfeld der Wiener Imker-Schule – nur damit klar ist, dass ich mich nicht mit fremden Federn schmücke ;) Leider wurden mir nicht die einzelnen Namen und Weblinks zu Verfügung gestellt. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ein paar Fotos von den Folien gemacht ...


Das grundlegende Problem bei der Behandlung unserer Bienen mit biologischen Säuren scheint zu sein, dass neben den Bienen - mit relativ schwach entwickeltem Immunsystem - und der Brut, auch die ganze Mikrofauna (diese kleinen Organismen, Milben und Insekten verschiedenster Art, mindestens 40 verschiedene Arten werden erwähnt, leben Seite an Seite in friedlicher Koexistenz mit den Bienen) im Bienenstock geschädigt wird. Wir haben damit (und oft zu hoher Feuchtigkeit in den Stöcken bzw. ungeeigneten Beutensystemen) den natürlichen Fressfeind der Varroa, den Bücherskorpion, in den Stöcken quasi ausgerottet. Wir töten mit der AS-Behandlung zwar einen Großteil der Varroen, aber schädigen auch das Immunsystem der Biene (vgl. Chemotherapie beim Menschen), die dadurch für Bakterien (zB AFB) und Viren (zB FDV) leichter anfällig wird.

Es gibt neben den biologischen Säuren weitere Ansätze um die Varroa in den Griff zu bekommen, wie Medikamente, Ableger, Brut-/Flugling. Hyperthermie, Muller-Brett, Kunstschwarm, Brutunterbrechung, kleinere Wabengröße (die aber nur bei der „Elgon“ [SUP]1)[/SUP] zu funktionieren scheint) usw., wie allen hier hinlänglich bekannt ist.

Doch helfen wir damit der Biene, sich zukünftig besser der Varroa zu erwehren, ohne fortwährender Eingriffe des Imkers überleben zu können oder verzögern wir damit nur die Weiterentwicklung Richtung Varroa Sensitive Hygiene (VSH) durch Be-/Verhinderung der natürlichen Selektion?

Einige Imker in USA, Frankreich (John Kefuss), Schweden (Erik Österlund), Finnland und auch Österreich (Alois Wallner) verfolgen schon seit rund 15-20 Jahren die Absicht, die natürliche Selektion auszunutzen und behandelten ihre Völker überhaupt nicht mehr. Ergebnis: nur 1/3 der Völker - die, die mit der Varroa besser zurecht kamen als andere - überlebten anfangs den Winter und wurden durch Nachzucht wieder auf 100% gebracht.

John Kefuss benannte diese ultimative Selektion Bond-Test: live and let die.

Nach vielen Jahren dieser Selektion, sind nun bei völlig unbehandelten Völkern die Winterverluste aktuell nur mehr bei rund 10%. Ist doch toll, oder?

Für einen Hobby-Imker mit 2-10 Völkern oder einen Nebenerwerbs- oder Erwerbs-Imker ist das ein kaum gangbarer Weg: nicht nur über den langen Zeitraum, sondern auch wegen des zwischenzeitlichen Ausfalls vieler Wirtschaftsvölker oder Totalverlusten.

Deshalb gibt es nun den Soft-Bond-Test. Völker mit weniger als 3% Varroen bleiben unbehandelt und werden vermehrt, wenn sie den Winter überleben. Die anderen Völker (> 3% Varroen) werden konventionell mit (geringer dosierter) AS und OS behandelt, aber im Folgejahr NICHT weiter vermehrt. Andere Imker setzen diese Grenze bei 5% Varroen an.

Im LV Wien will man diesen Weg zur Erreichung einer Varroaresistenz gehen. Dafür ist es aber notwendig, einheitliche Zählmethoden (Puderzucker-Methode) zu bestimmten Zeitpunkten (3x im Jahr) für die Varroa zu vereinbaren, um halbwegs vernünftige Vergleichswerte zu bekommen.

Hinweis: am 1.7.18 von 10-17 Uhr Wiener Bienen-Fachtagung 2018
bei Buchung bis 8.6. € 59,- danach € 69,-
https://imkerschule-wien.at/event/wiener-bienen-fachtagung-2018/


Deshalb war ich auf der Suche nach diesem Varroa-Schüttelbecher für Puderzucker-Analyse und war bereit, für den Wiener Raum eine Sammelbestellung anzuleiern und abzuwickeln. Leider kam aus dem Forum keine verbindliche Bestellung, um 50+% der Kosten zu sparen.

Ich habe mir leider nicht alle im Vortrag gezeigten Links gemerkt, jedoch ist bei ResistenBees.com [SUP]2) [/SUP]eine Langfassung zu diesem Bericht zu finden.

LG Erwin

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[SUP]1)[/SUP] Die „Elgon“ ist eine Kreuzung der Buckfast mit der Monticola-Biene. Die Monticola ist eine sehr sanftmütige, varroaresistente Biene aus dem ostafrikanischen Hochland. Der schwedische Züchter Erik Österlund kreuzte sie in die Buckfast ein und benannte diese Biene nach dem Berg Elgon, von dem er Zuchtmaterial mit nach Hause bringen konnte. Es ist ein Versuch über Kreuzungs- und Kombinationszucht auch bei unseren Bienen Varroaresistenz zu erreichen; ein Weg, der in die richtige Richtung zu weisen scheint. Ob er in Mitteleuropa und bei der größeren Bienendichte in unseren Breiten (auch) zum Erfolg führt bzw. führen kann, muss sich erst zeigen. In Österreich ist in einigen Bundesländern lediglich die Haltung der „Carnica“ gesetzeskonform.

[SUP]2)[/SUP] https://resistantbees.com/blog/?page_id=2103
 
Mit dem dreiwöchigen Brutstopp und der früheren totalen Brutentnahme, kurz meinen 4/5B-Verfahren, habe ich erst so richtig mitbekommen wie unterschiedlich sich nach der Behandlung im brutfreien Zustand die Milbenbelastung in den Völkern bis zum Winter entwickelt. Es fielen immer wieder Völker auf, die nach den B-Verfahren keine Behandlung im laufenden Jahr benötigt hätten. Dennoch habe ich im Vorwinter alle über denselben Kamm geschert.
Mit einem eigenen "Soft/Bond Test", allerdings ohne "let die", suche ich meine VSH Völker. Das erste Ziel ist, mit Brutstopp und nur einer anschliessenden Behandlung bei allen Völkern auszukommen. Dies ohne Verluste zu erreichen, wäre bereits ein grosser Erfolg.
Wenn nun dabei Völker auffallen, die mit einem Brutstopp allein und ohne Behandlung so über den Winter kommen, dass sie bis zum Brutstopp im Folgejahr sich mit den behandelten Völkern konform entwickeln, dann kann mit diesen Völkern vermehrt werden.
Der Anfang ist mit meinem Testvolk gemacht - ich bin überzeugt, dass auf diesem Weg mit unserer angestammten Dunklen Biene viel zu erreichen ist.
Das einzige was mich bedrückt ist, dass ich nicht 30 Jahre jünger bin....denn es wird keine schnellen Erfolge geben.
Chrigel
 
Ja, lieber Chrigel, da müssen wir drauf schauen, daß das unsere Jüngeren hinbekommen. Die Altvorderen konzipieren und testen manigfalte Konzepte und die Jungspatzen dürfen dann verfeinern und den Erfolg feiern ;)

LG Erwin
 
Heute habe ich die nächst Puderzuckerdiagnose durchgeführt. Geprüft wurden 65 g Bienen (ca 600 Bienen) aus dem ersten Honigraum und im Sieb ist eine Milbe hängengeblieben.
Das Volk ist in bester Verfassung wie schon der erste Blick am Abschlussfenster zeigt. Es besetzt 24 Waben im CH Mass. Es hat 12 kg Frühjahrshonig geliefert, was etwas über dem Durchschnitt aller Völker liegt.
Chrigel
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Die Diagnose übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Zur Erinnerung: Dieses VSH Volk wurde im Vorwinter 2016 das letzte Mal behandelt und hat 2017 lediglich einen totalen Brutstopp durchlaufen.
Diese eine Milbe hochzurechnen auf die Gesamtbelastung des Volkes ist etwas spekulativ. Gehen wir von 24 bis 30 000 Bienen aus, wären ausserhalb der Brut 40 bis 50 Milben.
Geht man davon aus, dass zur Zeit 80 % der Milben in der Brut sind, wären dies weitere 160 bis 200 Milben. Für diese Jahreszeit ist dies eine tiefe Belastung.
In einem Monat erfolgt der diesjährige dreiwöchige Brutstopp und das Volk wird wiederum ohne Varroacid Behandlung in den Winter geführt. Das wird sein Härtetest.
Chrigel

@ Josef
PS Ich bedaure übrigens, dass du bei den Mandel VSH Völkern nicht mitgezogen hast - aus welchen Gründen auch immer.
 
Und warm erkennen sie die Milben in den Drohnenzellen nicht, schwer vorstellbar, dass da im Gegensatz zur Arbeiterinnenbrut keine drinnen sind?

Josef
Aufgrund der vielen geöffneten Arbeiterinnenzellen muss von einer nicht unerheblichen Infizierung der Drohnenzellen ausgegangen werden. Warum keine sichtbar geöffnet ist, wundert mich auch. Ein VSH Volk muss auch Drohnenzellen öffnen. Die Drohnen kommen trotzdem vollständig ausgebildet aus geöffneten Zellen und eine Milbe ist darin nicht mehr zu finden - es hat keine Vermehrung stattgefunden. Dies halte ich für den wichtigsten Teil von VSH.

Chrigel

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Mein VSH Volk hat wieder eine Brutpause - allerdings von mir ungewollt. Es hat während meiner Abwesenheit geschwärmt. Hier hätte ich eine Kontrolle vor meinen Ferien machen müssen, dann hätte ich die Pollenbretter erkannt - hätte, hätte Velokette....Nächste Woche werde ich es auf Weiselrichtigkeit kontrollieren. Sofern eine junge Königin legt, werde ich es ohne Behandlung kontrolliert in den Winter führen und weiter schauen. Weitere Völker stehen für weiteres vorsichtiges, akaricidfreies Vorgehen zur Auswahl. Ich halte euch auf dem laufenden.
Chrigel
 
Hallo,
Ich denke, sicher bin ich nicht, das folgendes hier reinpasst.
Und zwar war ich als Zuhörer bei einem Vortrag von Dr.Bettina Zimmermann, das ist jene welche die Wirkung von Lithium Salzen für Varroabehandlungen entdeckt hat. Darum geht's mir gerade nicht.
In der Diskussion danach aber, erzählte sie auch von Versuchen mit VSH Völkern. Sie hatten Völker welche sich als ,salopp gesagt, Varrossaresistent erwiesen, über einen längeren Zeitraum. Wie lang genau kann ich leider auch nicht mehr sagen.
Interessant war aber, das die Königin, wenn sie aus ihrer Heimat entfernt wurde, z. B. von Schweden nach Deutschland, kein Varrossaresistentes Volk mehr aufbaute und schließlich durch die Varroa einging. Verschiedene Völker an unterschiedlichen Standorten endeten überwiegend gleich, sobald man die Königin aus ihrem angestammten Bereich nahm und sie woanders neu starten sollte.

Schöne Grüße Ronny
 
Das passt sehr gut hier hinein.
Aus der Grundlagenforschung an der Milbe ist wohl in dieser Richtung nicht mehr zu erwarten als ein neues Bekämpfungsmittel (LiCl). Das braucht es aber nicht, denn wir kommen mit den vorhandenen Mitteln seit Jahren zurecht.
Es ist deshalb naheliegend, dass Imker verstärkt mit betriebstechnischen Massnahmen den Einsatz der Akaricide nur noch auf das absolut notwendige Mass zu reduzieren versuchen. Das kann beispielsweise bedeuten, dass Völker längere Zeit allein mit imkerlichen Eingriffen wirtschaftlich geführt werden können. Ich nehme an. dass die Internierung der Königin zur Erzeugung einer Brutpause von weitern Ideen gefolgt wird.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass diese Richtung nicht mit dem Weg von Dorn übereinstimmt, kann mir aber vorstellen, dass aus dieser Ecke durchaus nützliche Erkenntnisse einfliessen werden.
Chrigel
 
Mein VSH Volk hat eine junge Köngin und wieder schöne Brutnester. Es verfügt über ca 10 kg Futterkränze und hat trotz Schwarm eine durchschnittliche Ernte gegeben. Die Sanftmut hat es aber nicht auf seine Fahne geheftet.
Selbstredend dass es keine Sommerbehandlung erfährt. Ende August mache ich eine Puderzucker-Befallsdiagnose.

Chrigel.
 
Mein VSH Volk gewinnt, nach dem Schwarmabgang, mit der jungen Königin wieder an Volksstärke. An seinem Standort gibt es eine leichte Nektar- und vielseitige Pollentracht. Es muss noch nicht gefüttert werden, denn seine breiten Futterkränze sind unangetastet. Ich bin rundum zufrieden.
Ab heute kommen 8 weitere Völker dazu. Sie werden nach dem 24-tägigen Brutstopp auf neuem 5.1er Bau ohne Behandlung geführt.
Allerdings mit einer monatlichen Puderzucker-Diagnose. Aber auch bei diesen Völkern ist nicht vorgesehen, sie wegen Varroose verlustig zu gehen.

Chrigel
 
...sie wegen Varroose verlustig zu gehen.
Chrigel
Dieses mal musste ich meine Frau als ausgebildete Germanistin befragen, was damit gemeint sein könnte. "sie wegen Varroose zu verlieren". Ich hoffe es wurde richtig interpretiert.

Darf ich mir noch eine Frage erlauben? Ich lese immer wieder von "kleineren" Zellgrößen, die von dir verwendet werden. Erwartest du Vorteile von diesen oder ist es nur Zufall?
Ich frage deshalb, weil ich immer wieder ermutigt werde, zumindest einige meiner Völker, versuchsweise auf Mittelwände mit eben kleinen Zellen zu erproben. Eigentlich hab ich die Kleinzeller wegen Naturbau aufgegeben. Aber es wäre tatsächlich interessant einige Völker mit "nur Brutentnahme und totaler Bauerneuerung ohne weitere Behandlung" auch auf kleinzelligen Mittelwänden zu testen.
lg Michael
 
Die Wahl der kleineren Zellgrösse habe ich aufgrund meiner langjährigen Beobachtungen am Naturbau von wilden Schwärmen (Findlingen) und am Wildbau in meinen Völkern und aus der Literatur über die Führung unbehandelter Völker getroffen (D. Lusby). Ich habe jetzt alle Völker auf 5.1 Zellmass gesetzt - ich bilde mir erst im Laufe des nächsten Jahres ein erstes Urteil. Da meine Dunklen die Waben perfekt und ohne Wirrbau erstellen, soll daran während der nächsten 5 Jahre nichts geändert werden. Umsoweniger als dies Bestandteil meiner "Schritte" ist und ich mir einen Vorteil gegen die Parasitierung der Brut verspreche.

Mein VSH Volk zeigt sich nach dem Schwarmabgang wieder in voller Stärke. Es beendet jetzt das zweite Jahr ohne Mitteleinsatz.IMG_4456.jpg
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Chrigel
 
Ohne diesen höchst interessanten Thread stören zu wollen, erlaube ich mir hier Bilder von Naturbau mit kleinen Zellen zu zeigen. Falls unpassend einfach löschen oder verschieben!
Dieses Volk ist durch relativ große Drohnen aufgefallen. Vermutlich nur deshalb, weil die Arbeiterinnen etwas kleiner erscheinen. Zellgröße ca. 5,0 und etwa 6,9 bei den Drohnenzellen.
IMG_1656.jpgIMG_1659.jpg
lg Michael
 
Ich will da nicht weiter stören, sag nur ACHTUNG

Heuer hab sogar ich in meinen neuen Kisten etwas Varroa, ist aber für mich kein Problem
 
Hallo Chrigel
Ich habe auch nur noch 5.1mm Zellenmass aber nach Ed & Dee Lusby ist 5.1mm noch nicht das Ende sondern 4.9mm. Allerdings funktioniert das wohl nicht ohne den Zwischdnschritt 5.1mm da unsere Bienen mittlerweile zu gross sind.
Gruss
Bernward
 
Hallo Bernward

Nachdem mit 5.1 nicht der geringste Wirrbau erstellt wurde, wenn der Abstand von MW zu MW auf höchstens 32 mm verkleinert ist, werde ich es nächstes Jahr auch mit 4.9 und 30 mm Abstand in den vorsichtigen Schritten versuchen.

Chrigel
 
Auch ich hab die selbe erfahrung wie Chrigel :)
Lustig das wir ähnlich imkern auch ich habe 5.1 auf 32mm Rähmchenabstand :)
 
Wenn wir hier bei einem "Outing" bezüglich des Wabengassenabstandes sind...
32mm hatten selbst meine 4,9er nicht so recht gewollt. Die haben alles auseinander gezogen. Derzeit bin ich bei den Hoffmannschenkel bei etwa 33-34 mm. Das funkioniert selbst mit Naturbau sehr gut. Möglicherweise schaut die Geschichte mit Mittelwänden anders aus.
Ich glaube die 35mm und 5,4 Zellgröße sind schlicht und einfach falsch! Ich habe es bei verwilderten Naturbauschwärmen nachgemessen. 35mm konnte ich nirgens finden, es war immer enger zusammen. Allerdings wundert es mich sehr, wenn sich Chrigel sogar auf 30mm bei 4,9 heranwagen traut. Jedoch bin ich mir sicher, er weiss ganz genau was er tut.
lg Michael
 
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