Arbeitsgruppe "Pestizide und Imkerei" eingerichtet

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Josef Gruber

Guest
Der Österreichische Erwerbsimkerung hat eine Arbeitsgruppe "Pestizide und Imkerei" eingerichtet

http://www.erwerbsimkerbund.at/?id=2500,1131996,,

Die Arbeitsgruppe legt ausdrücklich darauf Wert, von interessierten Mitgliedern aber auch Imkern außerhalb des Österreichischen Erwerbsimkerbundes kontaktiert zu werden und über in dieser Thematik auftretende Probleme informiert zu werden. Ziel ist es, die persönlichen Erfahrungen und Sorgen der Geschädigten noch direkter in die Arbeit des Österreichischen Erwerbsimkerbundes als Interessenvertreter geschädigter Imker einzubringen und an die nationalen Entscheidungsträger zu kommunizieren.


Mitglieder der Areitsgruppe:
Wofgang Pointecker (Sprecher der AG, Vizepräs. d. ÖEIB; imkerei.beepoint@gmail.com)
Dr. Stefan Mandl (wissenschaftl. Berater)
Mario Vogel
Gerhard Kreuzweger
Anton Reitinger

Schöne Grüße Sepp
 
Moin , österreichische Imker ,

die Bildung dieser Arbeitsgruppe begrüße ich als Hobbyimker aus Mecklenburg von ganzem Herzen . Bisher war ich mit meinen Völkern zwar keinen meßbaren Belastungen durch Pestizide ausgesetzt , doch der zunehmende Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft , nimmt Ausmaße an , die so nicht länger toleriert werden können.
Ich finde es daher sehr zeitgemäß , das Sie mit dieser Arbeitsgruppe , der weiteren allgemeinen Chemisierung entgegentreten und ein Zeichen setzen . Es wäre sehr zu wünschen , das diese Initiative weitere Landesverbände inspiriert , ähnlche Bemühungen zu entwickeln , um der Natur , und damit unseren Bienen zu helfen.
Mit freundlichen Grüßen

Hans Schwarz.
 
Liebe Bienenfreunde!

Die Uni Heidelberg zerlegt die Melissa-Studie der AGES:

Stellungnahme zu den von der AGES (DI Girsch) auf Grund des MELISSA-Projektes publizierten Prozentzahlen an durch Neonikotinoide geschädigten Bienenvölkern.
Von Anton Safer
Das MELISSA-Projekt1 hatte die Aufgabe, die Ursache von Bienenvolkschäden auf der Basis von den durch Imker eingesandten Proben (Bienen, Bienenbrot, Honig) zu ermitteln. Schwerpunkt war dabei die Untersuchung der Proben auf chemische Rückstände. Anlass zur Einsendung war ein erlittener Verlust an Bienenvölkern. Die Einsendung war auf freiwilliger Basis. Materielle Anreize waren nicht gegeben.
Die im MELISSA-Projekt entstandenen Stichproben der Jahre 2009-11/12 stellen somit eine Fallsammlung von Verdachtsproben dar, die in mehrfacher Hinsicht nicht repräsentativ ist:
 Die Studie erfasst nicht alle Imker und deren Bienenvölker, sondern nur die Gruppe der Geschädigten. Die Erfassung der unverzerrten Anzahlen aller Imker, Bienenvölker und Volkverluste wäre aber die Voraussetzung für belastbare Prozentangaben.
 Die erfassten Zahlen an Schädigungen hängen davon ab, dass die Schäden gemeldet werden. Dies ist aber mit Arbeitsaufwand verbunden, ist freiwillig, und bietet keine direkten Vorteile. Daher sind die Meldungen sehr stark unterrepräsentiert2. Dazu liegen aber im Melissa-Projekt keine Erfassungen vor, so dass der Grad der Unterrepräsentanz nicht exakt ermittelt werden kann. Auf der Basis der Erfassungen einzelner Imker lässt sich aber vermuten, dass die Meldungsrate im einstelligen Prozentbereich liegen dürfte3. Geht man von einer (fiktiven) Beteiligungsrate von 2,5% aus, müsste die Zahl der gemeldeten Bienenschäden zB schon mit dem Faktor 40 multipliziert werden. Die tatsächliche Zahl der Bienenvolkverluste ist aber aus Melissa nicht in wissenschaftlich belastbarer Form zu ermitteln.
 Es treten zwei Arten von Bienenvolkverlusten auf, die klar unterschieden werden müssen: Sommerverluste und Überwinterungsverluste. Die MELISSA-Studie differenziert dies korrekt.
1 AGES (2012). Forschungsprojekt Nr. 100472 Untersuchungen zum Auftreten von Bienenverlusten in Mais- und Rapsanbaugebieten Österreichs und möglicher Zusammenhänge mit Bienenkrankheiten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Projekt-Akronym: MELISSA) [Im Folgenden „MELISSA-Projektbericht“ genannt]
2 MELISSA-Projektbericht Seite 51: „Die starken Unterschiede im ermittelten Prozentsatz an Winterverlusten sind ein Hinweis darauf, dass im Rahmen des Projektes MELISSA überwiegend Problemfälle gemeldet worden waren – was zugleich einen Bedarf an der Untersuchung derartiger Fälle signalisiert –, während in die Erhebung im Rahmen der COLOSS-Aktion an das Institut für Zoologie der Univ. Graz sowohl gute als auch schlechte Überwinterungsergebnisse eingeflossen sind.“
3 Quelle: Persönliche Mitteilung Roland Netter. Als Beispiel die Aufstellung von Imker Roland Netter für den Bezirk Strengberg, ein Standort mit >40-100% Maisflächen (laut Statistik Austria): Von 18 Imkern im Bezirk hatte 2011/12 nur einer am MELISSA-Projekt teilgenommen; aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, dass von 17 Standimkern mit 155 Völkern 55 Völkerverluste aufgetreten waren (35,4%). Zwei Imker mit 100% Völkerverlust ließen sich auf mangelhafte Varroa-Behandlung zurückführen. Der Rest der Schäden geht mutmaßlich vorwiegend auf Pflanzenschutz-bedingte Schäden zurück, aber dies lässt sich in Folge der Nicht-Beteiligung an einer Rückstandsuntersuchung nicht beweisen. Im Imkerverein Enns EDW nahm bei ähnlichen Verlustquoten kein einziger von 50 Imkern am MELISSA-Projekt teil.
2
Allerdings ist überhaupt nicht klar auf welche Referenzbasis sich diese absoluten Häufigkeiten beziehen lassen, abgesehen von der eben angeführten Wirkung des Meldedefizits an Bienenschäden.
So müsste bekannt sein wieviele Bienenstöcke innerhalb einer geografischen Einheit (zB Gemeinde) für den Bezugszeitraum vorhanden waren. Zudem sollte bekannt sein welche Flächen überhaupt mit trachtfähigen Pflanzen besetzt waren, und wieviel davon in den einzelnen Zeiträumen (zB Kalenderwochen) mit bienengefährlichen Agrochemikalien (darunter extra ausgewiesen mit Neonikotinoiden) behandelt waren. Neben Angaben über die Ackerflächen und deren Bewirtschaftung sollten auch die über Wald- und Weideflächen zur Verfügung stehen. Eine Aggregation solcher Informationen auf Gemeindeebene wäre wünschenswert. Da solche Informationen meines Wissens nicht erfasst wurden4, kann man auch keine Schätzung der Risikopopulation und der Expositionswahrscheinlichkeit vornehmen.
Ein Zusammenhang zwischen einem Ereignis (Bienenvolkverlust) und einem Risiko (Einwirkung von Neonikotinoiden) lässt sich nur dann herstellen, wenn eine Exposition tastsächlich stattfinden kann. Dies ist zB dann nicht anzunehmen, wenn in der Nähe eines Bienenstocks keinerlei Behandlung mit den in Frage stehenden Chemikalien statt gefunden hat. Von den ca. 3,3 Mio ha forstlicher Nutzfläche und ca. 3,2 Mio ha landwirtschaftlicher Nutzfläche in Österreich sind nur etwa 1,35 Mio ha Ackerland. Darunter können etwa 0,72 Mio ha als potentielle Bienenweide aus Ackerfrüchten gelten. Nur auf solchen Flächen ist überhaupt mit Schäden durch Anwendung von Agrochemikalien zu rechnen. Da aber weder die Zahl der Bienenstöcke in Flugradius solcher Flächen noch deren Behandlung bekannt ist, lässt sich auch keine korrekte Beziehung zwischen Behandlung und Völkerverlusten herstellen.
Die von der AGES (DI Giersch) aufgeführten Prozentzahlen erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine valide Schätzung des Anteils an Bienenschäden oder Bienenschäden durch Neonikotinoide.
 Als Referenzuntersuchung zur Ermittlung der Zahlen und Rate der Überwinterungsverluste könnte die jährliche Erhebung der Bienenverluste in Österreich von Robert Brodschneider und Karl Crailsheim dienen5. Zur Erfassung dient ein international standardisierter Fragebogen im Rahmen des COLOSS-Projektes6, wobei die Ergebnisse in Form einer öffentlich zugänglichen Datenbank erfasst und zur Verfügung gestellt werden sollen.
Durch den 2-seitigen Fragebogen werden Standort, Zahl ein-und ausgewinterter Völker, Art der Verluste, Management, Varroabekämpfung und Tracht erfragt. Die damit erfassten Daten werden jährlich ausgewertet, und zeigen für die Jahre 2008/9 9%, 2009/10 16%, 2010/11 17% und 2011/12 26% Bienenvolkverluste bei Überwinterung. Eventuelle Sommerverluste kämen noch hinzu.
4 Vielleicht auch nicht mit vertretbarem Aufwand erfasst werden können
5 http://uni-graz.at/~brodschr/Winterverluste.htm
6 http://www.coloss.org/
3
Leider lassen sich diese Zahlen in keiner korrekten Weise mit den aus MELISSA gemeldeten Verlusten verknüpfen. Selbst Vergleiche zwischen zwei Überwinterungen auf Basis der COLOSS-Erhebungen sind nach Aussage des MELISSA-Projektberichts nicht ohne Weiteres möglich, da die Erhebungsmethode leicht verändert worden war7.
Die COLOSS-Erhebung eignet sich aber nicht zum Beweis der Schädigung der Bienenvölker durch Agrochemikalien. Solche Daten wurden dort nämlich nicht erhoben. Zudem leidet auch COLOSS unter dem Selektionsbias einer freiwilligen Teilnahme an der Erhebung, und ist als Stichprobe verzerrt. Durch die Wahrung der Anonymität der Teilnehmenden hat COLOSS allerdings einen entscheidenden Vorteil gegenüber MELISSA. Die Teilnehmer können ihre Scham über Völkerverluste leichter überwinden, und müssen auch keine Konflikte mit Nachbarn, Kollegen oder Image- und Geschäftsverluste fürchten. Wenn man die Daten von COLOSS mit Flächennutzungs- und Pflanzenschutzdaten zusammenführt, dann kann man zumindest eine Untersuchung auf Basis von Assoziationen durchführen.
SCHLUSSFOLGERUNG MELISSA hat in mehreren Abschnitten Zusammenhänge zwischen den Anbaubedingungen und Bienenschäden gefunden, und diese auch korrekt beschrieben. Doch diese Assoziationen sind weder geeignet, die Zahl der Neonikotinoid-bezogenen Bienenschäden in Österreich zu ermitteln, noch dürfen auf dieser Basis Prozentzahlen berechnet werden.
Der MELISSA-Projektbericht macht daher auch an keiner Stelle Angaben zu Zahlen oder Prozentzahlen geschädigter oder abgestorbener Bienenvölker.
Das Verfahren der Schadensmeldung in MELISSA unterliegt einem massiven Meldebias, der in seiner Höhe nicht seriös abgeschätzt werden kann. Daher lässt sich keine unverzerrte Hochrechnung auf die Zahl der Bienenvolkverluste durchführen, weder allgemein noch nach Schädigungsarten getrennt.
Die Risikopopulation muss als Referenzbasis für die Ermittlung von darauf bezogenen Prozentzahlen definiert und ermittelbar sein. Dies ist derzeit nicht gegeben.
Somit gibt es auf der Basis der MELISSA-Daten keine Grundlage für eine statistisch korrekte (unverzerrte) Abschätzung der prozentualen Bienenvolkverluste, weder insgesamt noch nach Schädigungsarten.
Die in einer Pressemitteilung der AGES genannten Zahlen „0,38 % bzw. 0,1 % österreichweit nachweislich durch insektizidgebeiztes Saatgut geschädigten Bienenvölker“8 sind nicht korrekt.
7 MELISSA-Projektbericht Seite 51: „Wie die Angaben von 311 Imkern zeigten, betrugen die österreichweiten Völkerverluste in der Überwinterungsperiode 2009/2010 16,2% (Brodschneider, Moosbeckhofer, Crailsheim, 2010a). Die erhobenen Verluste sind damit höher als im Winter 2008/09 (9,3%, Brodschneider et al., 2010b), was durch tatsächlich höhere Verluste oder durch die etwas abgeänderte Fragestellung zustande gekommen sein kann.“ [Unterstreichung durch den Verfasser].
8 http://www.ages.at/ages/presse/presse-archiv/2012/endbericht-melissa-2009-2012/ dort unter Punkt 4
4
Dass dennoch ein solcher Prozentsatz „berechnet“ wurde, indem einfach die Zahl der Bienenschäden, die sich aus der Untersuchung von nicht repräsentativen Verdachtsproben ergeben haben, zur Gesamtzahl der Bienenvölker in Österreich ins Verhältnis gesetzt wurde, ist unzulässig.
Aber auch eine „Hochrechnung“ auf die Zahl der Bienenvolkverluste durch Neonikotinoide in ganz Österreich basierend auf einer eingeschränkten und damit nicht repräsentativen Stichprobe ist nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht korrekt durchführbar.
Weisenheim am Sand, 7. April 2013
Dr. Anton Safer Schäfersteg 1 D-67256 Weisenheim am Sand antonsafer@gmail.com
Diese Stellungnahme wurde von mir auf Anfrage von Global 2000 unentgeltlich erstellt. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass ich weder zu Global 2000 noch zu anderen Auftraggebern aus dem Feld der Industrie, Behörden, Institute oder Verbände in irgend einer Geschäftsbeziehung stehe. Weder bekomme ich finanzielle Zuwendungen noch sonstige Vorteile. Diese Arbeit steht auch weder in Verbindung noch in Konflikt mit meinen dienstlichen Aufgaben an der Universität Heidelberg.
©2013 Anton Safer
Der Text darf lizenzfrei verwendet und ohne Ausnahme unter Angabe der Quelle zitiert werden, sofern der Sinn nicht entstellt wird. Die Weitergabe des Textes ist erwünscht.
Anton Safer, geb.1947 in Wien. Diplom-Agraringenieur Universität Stuttgart-Hohenheim 1969/70. Promotionsstudium Humanbiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover mit Grad Dr. rer. biol. hum. 1991.
36 Jahre als Biometriker in der Arzneimittel-industrie tätig: präklinische und klinische und Studien (Pharmakologie, Toxikologie, Phase-I-Studien, Biosignalverarbeitung, Pharmakokinetik und -dynamik, Sicherheitsbewertung von Arznei-mitteln). Seit Mitte 2009 als Projektstatistiker am Institute of Public Health / Epidemiology der Universität Heidelberg. tätig für das Ludwigshafener Schlaganfallregister und GenesiS, eine epidemiologische Studie zu genetischen, entzündlichen und sozioökonomischen Ursachen des Schlaganfalls.
Mitglied beim Deutschen Netzwerk Evidenz-basierte Medizin (DN-EbM e.V) in Verbindung mit dem Netzwerk Cochrane.org. Mitglied beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).
 
Danke Dir Stefan für die Informationen,

ich kenne das Projekt "Melissa" nur von Erwähnungen in anderen Berichten, und kann mir daher nur sehr schwer
ein Bild machen.
Wo finde ich den oben genannten Bericht der hier dem Herrn aus Heidelberg vorgelegen hat?

Weitere Frage an Dich:
Wäre es sinnvoll auch von Deutschland Daten für eure Arbeitsgruppe zu sammeln?
Und, habt ihr dort eine Möglichkeit chem. Analysen zu machen oder machen zu lassen?

Viele Grüße,
Hagen
 
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