Friedliche afrikanisierte Honigbienen in Puerto Rico

apis sylvatica

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Eine höchst interessante Entdeckung, deren Ergebnisse auch für die Zucht der Honigbiene interessant sein können.

Zugegeben, der Standard-Artikel ist fachlich weniger gut und sehr vereinfacht, so wie fast alle Wissenschaftsartikel in Zeitungen. Der Inhalt ist aber höchst interessant und revolutionär.

"Killerbienen" in Puerto Rico verloren ihre Angriffslust

Falls es irgendwer versteht, die in Nature erschienene Publikation ist fachlich natürlich besser und viel informativer:

A soft selective sweep during rapid evolution of gentle behaviour in an Africanized honeybee
 
Moin Manuel,

davon, dass die afrikanische Biene in Puerto Rico in relativer Isolation relativ harmlos ist glaube ich schon vor ein paar Jahren gehört zu haben. Interessant ist es dahin gehend, dass die Aggressivität auch von äußeren Bedingungen abhängt.
Soweit ich mich recht entsinne, gibt es zwischen der sogenannten afrikanisierten und der ursprünglichen afrikanischen Biene genetisch keine Unterschiede. ich denke, Oliver Rödel kann hierzu das ein oder andere sagen, falls er noch in diesem Forum unterwegs ist.

Inwieweit findest Du das Verhalten der afrikanischen oder von mir aus afrikanisieten Biene in Puerto Rico interessant?

Falls es die angebliche Varroatoleranz ist: Diese ergibt sich aus den relativ häufigen Schwärmen bzw. der Aufgabe des bestehenden Nestes. Und wie Prof. Thomas Seeley schon sinngemäß sagte, ist dies das beste natürliche Mittel gegen Varroa. Ob dies für Imker zuträglich ist oder in unseren Breitengraden überhaupt funktionieren würde sei mal dahingestellt.

Gruß,
Hermann
 
Interessant ist zum Beispiel, dass - im Gegensatz zu anderen Domestizierungen - die genetischen Änderungen bei der Honigbiene nur in den phänotypischen Ausprägungen des Verhaltens ist und (noch) keine morphologischen Änderungen mit zahlreichen neuen Mutationen in zB Farbe oder anderen Merkmalen stattgefunden haben. Bei praktisch allen anderen Haus- und Nutztieren (und auch Nutzpflanzen) kam es schnell zu zahlreichen neuen Mutationen, sodass es in der Zuchtpopulation innerhalb kurzer Zeit sehr viele verschiedene Formen, Farben, ... gab. (domestication syndrome)

Der Verlust von Aggressivität geht bei - soweit ich weiß - allen Domestizierungen mit einer Verkindlichung des Verhaltens einher. Dass das adulte Tier eher kindlich, verspielt, neugierig ist, also in einer früheren Entwicklungsphase förmlich stehen geblieben ist. Bei der Honigbiene kann das nicht beobachtet werden.

Weiters wurde zuerst vermutet, dass die Sanftheit der afrikanisierten Honigbienenpopulation in Puerto Rico aufgrund eingekreuzter Allele der dortigen europäischen Honigbiene zurückgegangen sind. In dieser Studie wurde aber festgestellt, dass es Allele afrikanischen Ursprungs sind, die in dieser Population für dieses Verhalten verantwortlich sind. Allele europäischen Ursprungs sind in anderen Bereichen aber sehr wohl vorhanden.
Es wird erwähnt, dass in unterschiedlichen Populationen der Honigbiene die Änderung zu sanfterem Verhalten mehrmals stattgefunden hat und zum Teil auf verschiedenen Mechanismen beruht. Das könnte sehr gut erklären, warum es manchmal zu Stechern kommt, wenn man zwei an sich sehr sanftmütige Bienenunterarten kreuzt.

Es ist auch interessant, dass die dortige Population eine reduzierte Anzahl von csd-Allelen hat, was in der heutigen Zucht als großer Nachteil angesehen wird, dort aber funktioniert. Normal nimmt man eigentlich an, dass natürliche Selektion immer mehr csd-Allele begünstigt, weil ein Volk mit mehr diploiden Drohnen benachteiligt ist.

Die Population dort konnte ihr Verhalten nur so schnell ändern, weil die Insel dicht besiedelt ist, und deswegen die aggressivsten Völker von den Einwohnern immer wieder vernichtet wurden. Es wird vermutet, dass es auch damit zusammenhängt, dass friedliche Völker mehr Möglichkeiten haben sich irgendwo niederzulassen, da sie in der Nähe der Menschen geduldet werden, die aggressiven aber nicht. Auf Puerto Rico gibt es keine natürlichen Feinde, das macht aggressives Verhalten zu einem Nachteil, da es Ressourcen bindet. Deswegen ist es dort ein Selektionsnachteil.

Zuletzt zeigt es auch, wie schnell es zu gravierenden Änderungen im Verhalten der Honigbiene kommen kann, obwohl in Puerto Rico keine gezielte Zucht oder massive Vermehrung besonderer Königinnen stattgefunden hat. Die Isolation war hier ausschlaggebend, dass in nur 10 Generationen aus Stechern brave afrikanisierte Bienen wurden.

Das waren mal ein paar Beispiele.

Was im Standard-Artikel steht, dass diese Biene vielleicht die Antwort auf das Bienensterben sein könnte, steht nicht im Originalartikel. Das kommt aus der kreativen Feder des Journalisten.

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Ich vermute, ich kenne die Beiträge von Oliver Rödel, wo es um die afrikanisierten Bienen geht. Da liegen Missverständnisse vor, was maternal vererbte mitochondriale DNA angeht. Mitochondriale DNA ist zwar oft ein sehr starkes Tool, wenn es um Abstammung geht, sagt aber absolut nichts über die Kern-DNA aus. Schon gar nicht in Populationen hybridogenen Ursprungs. Also es ist nicht so, dass die afrikanisierte Biene in Südamerika genetisch den afrikanischen Bienen gleicht, sondern nur, dass sich die Königinnen schneller und besser ausbreiten/vermehren konnten. Theoretisch könnte es sein, dass die gesamte Kern-DNA oder ein Großteil davon aber von europäischen Drohnen stammt. In den Mitochondrien ist kaum wichtige Information gespeichert. Praktisch alle Merkmale liegen in der Kern-DNA. Die mitochondriale DNA zeigt oft ein vollkommen anderes Dendrogramm (vereinfacht: Stammbaum) im Vergleich zur Kern-DNA.
Wenn man ein Pudelweibchen und immer deren weibliche Nachkommen 10 Generationen hintereinander von einem Terrier decken lässt, dann sind fast 100 % von der Kern-DNA vom Terrier, die Hunde sehen zu 100 % wie Terrier aus (außer, man selektiert bewusst scharf dagegen), die mitochondriale DNA sagt aber, dass die Hunde vom Pudel abstammen..
 
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