Wird der tagsüber eingebrachte Nektar über Nacht zu Honig, oder nicht?

Josef Fleischhacker

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Immer wieder lesen wir, "der Honig ist noch nicht reif", "hab noch zu viel Wassergehalt" oder "warum ist mein Honig noch nicht ganz verdeckelt"? Ich denke darüber sollten wir nun nicht nur reden, sondern auch nachvollziehbare Unterlagen und gegebenfalls auch Links einfügen.

Selber bin ich der Meinung, der tagsüber eingetragene Nektar wird von den Stockbienen innert kürzester Zeit eingedickt, aus Nektar wurde somit Honig. Nehmen wir doch unsere Köche als Beispiel heran, frisches Obst wird innert kürzester Zeit eingekocht, wird somit vor dem Verderben bewahrt. Schleppen nun die Sammelbienen Nektar um Nektar heran, noch dazu dermaßen viel, dass die Stockbienen nicht in der Lage sind all dies zu verarbeiten, so bestünde bei immerhin 35 Grad Stocktemperatur, mitunter nasser Pollen, Pilze und Bakterien, allergrößte Gefahr des Verderbens. Nach menschlichen Ermessen würden nun die Stockbienen rufen gebt´s Ruhe da draußen, wir kommen mit der Arbeit nicht mehr nach, folglich würden die Sammlerinnen, ... na was den?

Nun meine Herrschaften, reden wir darüber, wie bitte seht Ihr dies?

Josef
 
Ein höchst interessantes Thema Josef!
 
Hallo Josef,

ja, ein schönes Thema.
Ich habe mir da schon einiges zurechtgelegt.
Ein Trocknungsprozess, bzw. ein Vardampfungsprozess ist
abhängig von der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, der Umströmung
und der Oberfläche, in diesem Falle des Nektars. Die Hygroskopischen
Eigenschaften spielen dabei auch noch eine Rolle.

Die Bienen hängen den eingetragenen Necktar nun zunächst unten
an die Wände der Zellen. Diese Tropfen werden dann immer wieder aufgesogen, um etwas
weiter oben wieder an eine andere Zellwand "aufgehängt" zu werden.
Die Stocktemperatur und die Luftfeuchte ist nun maßgeblich, wie lange der
Trocknungsprozess dauert.
Wenn die Außentemperatur kühl und die Luft schon relativ trocken ist,
die sich dann auch noch im inneren des Stockes aufheizt, ist die
Fähigkeit der Luft, Feuchtigkeit auf zu nehmen besonders gut, und der Trocknungsprozess
damit schneller, als bei feucht-warmer Luft.

Ich glaube allerdings nicht, dass dieser Prozess "über Nacht" statt finden kann.
Die Verkeimung des Nektars wird durch geringe Mengen von Wasserstoffperoxid verhindert, das
durch die Bienen zugesetzt wird.

Wie lange der Prozess aber dauert, in welchem Zeitfenster das statt findet, und wo die
Grenzen liegen, habe ich ehrlich gesagt keine Vorstellung.
Ich vermute stark, dass feucht-warmes Klima in Kombination mit Massentracht
tendenziell zu feuchterem Honig führt
kühleres trockeneres Klima dagegen zu eher trockenerem Honig.


VG
Hagen
 
Was ist den los meine Herrschaften, 106 Zugriffe und lediglich erst drei Postings? :-k

Josef
 
Ich denke nicht das die Bienen es immer über Nacht schaffen den Honig zu trocknen. Sonst gäbe es keinen zu feuchten Honig.
Dabei spielen viele Faktoren mit: Menge der Tracht, Feuchtigkeit des Ausgangsmaterials ( Honigtau, Nektar), Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Stärke des Volkes, Beutenform (Luftführung in der Beute)
 
Die Trachtquelle spielt meiner Beobachtung nach eine sehr große Rolle, Raps, Linde, Weißklee brauchen länger zum trocknen als zum Beispiel der Löwenzahn-Nektar.
 
Danke Paul für Deine Antwort, offenbar getraut sich aus welchen Gründen auch immer keiner zu einer Antwort, nun reden halt wir bisherigen Teilnehmer.

Hier ein praktisches Beispiel und solche Werte können von jeder elektronischen Waage alle zwei Stunden abgelesen werden.

5 h20,428,067,3-0,4-0,4
Details..
7 h19,80,067,0-0,3-0,7
Details..
9 h22,013,067,00,0-0,7
Details..
11 h28,344,067,60,6-0,1
Details..
13 h32,937,068,10,50,4
Details..
15 h31,242,068,60,50,9
Details..
17 h27,50,068,90,31,2
Details..
19 h26,217,068,90,01,2
Details..
21 h24,110,068,8-0,11,1
Details..

Wie sehen hier Minus Zahlen, diese bezeugen von Abnahmen, die schwarzen von Zunahmen. Dieses Volk hatte also tagsüber 1,9 kg Zunahme, in der Nacht 0,8 kg Abnahme, somit nur noch ein Plus von 1,1 kg. Nun, dieses Volk lebt natürlich nicht von der Hand im Mund, sondern kann aus dem Vollen schöpfen, somit kann man locker 0,5 kg als Eigenverbrauch in Abzug bringen, somit wären nur noch 0,6 kg als einlagerunsfähiger Honig heranzuziehen.

Als einlagerungsfähigen Honig sehe ich schleuderbaren Honig, bin mir absolut sicher, zöge man hier um 5:00 h in der Früh eine HoW, so würde bei einer Spritzprobe kein einziger Tropfen aus den Waben kommen.

Was bitte hält Ihr von dieser These?

Josef
 
Was für ein Honig wurde da eingetragen?
Bei Zunahmen in dieser Größenordnung kann ich mir das schon vorstellen.
Wie sieht es aber aus wenn 5kg Raps eingetragen werden. Des weiteren gilt zu bedenken, dass du in einer eher trockenen Gegend imkerst mit eher sehr niedriger Luftfeuchtigkeit.
 
Was für ein Honig wurde da eingetragen?

In diesem Falle Sonnenblume und die Daten kommen aus der gestrigen Messung.

Des weiteren gilt zu bedenken, dass du in einer eher trockenen Gegend imkerst mit eher sehr niedriger Luftfeuchtigkeit.

Diesen Bereich hat auch schon Hagen angesprochen, für mich ist schwer vorstellbar, dass bei einem Bienenvolk mit 60.000 Lebewesen und einem enormen Geschehen im Innenbereich die Außentemperatur auch nur irgendeine Bedeutung hat?

Josef
 
Ich kenne das von der Heutrocknung. Bei schwülwarmen Wetter kannst du mit dem Belüftungsgebläse reinblasen so lange du willst. Es wird nicht trockener,
da man die Trocknungstemperatur nur auf einen bestimmten Wert anheben kann, genauso wie bei den Bienen.
Wenn es aber kühl ist und die Luft auf die gleiche Temperatur angewärmt wird, trocknet alles ruck zuck.
 
Lieber Josef
für mich ist schwer vorstellbar, dass bei einem Bienenvolk mit 60.000 Lebewesen und einem enormen Geschehen im Innenbereich die Außentemperatur auch nur irgendeine Bedeutung hat?
Hat es.
Nicht die Innenwerte Temp./Feuchte-Kombination alleine oder die Aussenwerte Tem./Feuchtekombination alleine spielen eine Rolle, jedoch die Differenz zueinander. Nicht die relative Feuchtigkeit ist massgebend, sondern der absolute Feuchtegehalt x in g Wasserdampf pro kg Luft gemessen bei der Temperatur y.
Die Feuchtigkeit des Nektars gelangt nun mittels Luft als Träger nach Aussen und dabei strömt genau dasselbe Volumen von Aussen wieder in den Stock zurück. Nun ist wie gesagt die Differenz des absoluten Wassergehaltes dieser Ausgleichsluftmenge massgebend wie effizient eine Trockung vonstatten gehen kann.
In einem sog. H-X-Diagramm kann man das grafisch gut aufzeigen und erkennen wie hoch der absolute Wassergehalt (g/kg) eines Luftzustandes ist. Der Wert der Aussenluft muss links vom Zustandspunkt des Stockluftzustandes liegen (Werte für Temp- und rel. Feuchtigkeit das hinausgefächelten Luft müsste gemessen werden), damit netto eine Entfeuchtung erfolgen kann, je weiter links umso effizienter.
Deshalb sind Aussagen "Ernte nach Regenwetter" per se nicht immer nur korrekt, wenn auch in unseren bekannten Klimaregionen erfahrungsgemäss meist dennoch zielführend, weil unsere Regenwetterperioden kaum tagelang schwülwarm bleiben.
 
tagelang schwülwarm bleiben.

Eben das ist es ja dieses Jahr bei uns. Das Beispiel mit der Heubelüftung - trocknung von Paul gefällt mir sehr gut.

Meiner Meinung nach auch sehr von der Trachtquelle welche eingetragen wird abhängig.

Almrose, Himbeere... dauert zb. Sehr lange bis der Wassergehalt stimmt ....
 
Hallo Josef,

Diesen Bereich hat auch schon Hagen angesprochen, für mich ist schwer vorstellbar,
dass bei einem Bienenvolk mit 60.000 Lebewesen und einem enormen Geschehen im
Innenbereich die Außentemperatur auch nur irgendeine Bedeutung hat?

Josef
Feuchte_Luft.png
Dieses Diagramm zeigt die maximale Wasser - Aufnahmefähigkeit der
Luft in Abhängigkeit der Temperatur.


die Außentemperatur in Kombination mit der Luftfeuchte hat deswegen eine
sehr wesentliche Bedeutung.
Die Bienen machen dabei ja nichts andere als wir Menschen in
technischen Trocknungsanlagen.

Wir kennen das ja auch;
Wenn es heiß ist, schwitzen wir. Das Verdampfen des
Wassers auf der Haut verbraucht Energie, die so genannte Verdampfungsenthalpie
oder „Verdampfungswärme“.
Weil das Wasser beim Verdampfen Energie braucht, fällt die Temperatur und
die Haut wird gekühlt. Schalten wir einen Ventilator ein, strömt die Luft schneller
an der Haut vorbei und das Wasser verdampft schneller, und kühlt dadurch noch mehr.

Wenn es nun eine hohe Luftfeuchtigkeit gibt, das Wetter „schwühl“ ist, ist die Luft
geättigt und kann kein Wasser mehr auf nehmen. Wir schwitzen zwar, aber
es kann kaum noch Wasser verdampfen, weil die Luft kein Wasser mehr auf nehmen kann.
In einem solchen Falle können die Bienen den Honig nicht mehr trocknen,
denn die Physik lässt ein Verdampfen von Wasser nicht mehr zu.
Der Wassergehalt im Honig bleibt dann bestenfalls gleich, oder kann unter Umständen
sogar noch steigen.

In der Technik kühlt man die Luft herunter, damit Wasser auskondensiert,
und heizt die Luft im Anschluss wieder hoch. Damit ist diese getrocknet und kann
danach für einen Trocknungsprozess verwendet werden.
Dies können unsere Bienen leider nicht.

Schlimmste Witterung für den Honig:
35°C Lufttemperatur bei nahezu 95% rel. Luftfeuchte.
Da trocknet nichts mehr.

Daher ist es Nachts meistens um so besser. Kühle Luft strömt in den Stock, die Bienen
können die Luft erwärmen wodurch die Luft trockner wird.
Damit verdampft das Wasser aus dem Honig um so besser.

VG
Hagen
 
Gut erklärt Hagen. Danke.

Wenn man noch berücksichtigt, dass feuchte Luft leichter ist als trockene Luft, so ist es umso erstaunlicher zu sehen, was unsere Bienen leisten! (Wäre es umgekehrt würde ständig feuchtere Luft nach unten sinken.)
Der Mensch würde dazu vermtl. oben eine kleine Klappe einbauen, die er bei Bedarf sachte öffnet. Unser Schöpfer hat nun aber Bienen und Menschen nach seiner Art inkl. ihren Möglichkeiten geschaffen. Ich staune immer wieder oft und gerne, zu was Bienen in- und durch ein Volk befähigt sind.
 
Hagen & Oliver

hier wiederum etwas aus den gemessenen Daten

5 h13,185,060,9-0,2-0,2
Details..

7 h13,089,060,8-0,1-0,3
Details..

9 h15,586,060,3-0,5-0,8
Details..



Wie sehen hier Luftfeuchte zwischen 85 und 89 Prozent, also relativ hoch, trotzdem gab es in diesen zwei Stunden erstaunliche Abnahmen von 0,8 kg.

Bei den Bienen sehe ich dies ähnlich wie bei unseren Köchen, was deutet es diese ob es draußen kühl und regnerisch, oder die Hitze 35 Wärmegrade erreicht. Bienen haben ihre eigenen Ventilatoren, nämlich höchst wirksame Flügel, muss Wärme und Nässe nach draußen, so fächeln die was das Zeug hält. Wird umgekehrt Wasser benötigt, so steht hierzu ein eigener Trupp zur Verfügung. Die Moral von der Geschichte, intakte Bienenvölker haben ihre eigenen Klimaanlagen, denen wäre es ein leichtes unsere Wünsche, nämlich nämlich Honige mit möglichst wenig Wassergehalt einzulagern, nur, warum machen uns manche Völker diesen Gefallen nicht?

Josef
 
Hagen & Oliver

hier wiederum etwas aus den gemessenen Daten

5 h13,185,060,9-0,2-0,2
Details..
7 h13,089,060,8-0,1-0,3
Details..
9 h15,586,060,3-0,5-0,8
Details..


Wie sehen hier Luftfeuchte zwischen 85 und 89 Prozent, also relativ hoch, trotzdem gab es in diesen zwei Stunden erstaunliche Abnahmen von 0,8 kg.

Josef

Der Grund liegt dann darin, dass die Bienen im Stock die Luft aufheizen auf Stocktemperatur. Dadurch kann die Luft wieder deutlich mehr
Wasser auf nehmen.

Hagen & Oliver

Die Moral von der Geschichte, intakte Bienenvölker haben ihre eigenen Klimaanlagen, denen wäre es ein leichtes unsere Wünsche, nämlich nämlich Honige mit möglichst wenig Wassergehalt einzulagern, nur, warum machen uns manche Völker diesen Gefallen nicht?

Josef

Tja, da habe ich momentan keine passende Idee.
Bei sonst gleichen Bedingungen, kann das ja dann nur mit dem
Verhalten des Volkes begründet sein.

VG
Hagen
 
Hallo,

ich glaube im Stock gibt es mal grundsätzliche Wärme/Feuchte Unterschiede. Klar ist, dass im Brutbereich sehr konstante Bedingungen vorherschen müssen, egal wie das Wetter draußen ist. Je weiter weg vom Brutbereich desto mehr Einfluss wird das Wetter draußen spielen. Hier sehe ich allerdings bei der Kälte ein Problem, kühlt der Honigraum ab kann die kalte Luft oben die vom Brutraum aufsteigende Feuchtigkeit schwerer aufnehmen. Meiner Meinung gibt es dann noch einige anderen Faktoren die die Feuchtigkeit des Honigs beeinflussen (Volumen der Beute, Bienenmasse, Böden, Betriebsweise)...

Lg
Gerhard
 
Hallo zusammen,
ein weiterer Faktor bei der Trocknung ist der Aufenthalt des Nektars im Honigmagen der Bienen. Beim Aufsaugen in winzigsten Tröpfchen und ebenso beim Rauspressen aus dem Honigmagen kommt der Nektar mit größtmöglicher Oberfläche mit Luft in Berührung. Soweit also die optimale Lufttrocknung.
Aber auch beim Aufenthalt des Nektars im Honigmagen beim Umtragen wird dem Nektar Wasser entzogen. Die Biene deckt einen Teil ihres Wasserbedarfs dadurch, dass sie dem Nektar Wasser entzieht. Somit kommt jedes Tröpfchen ein klein wenig trockener raus, als es eingesaugt wurde. Man kann schön beobachten, wie Bienen minutenlang kopfüber in der Zelle verweilen, um den Nektar aufzusaugen, dann laufen sie wiederum minutenlang scheinbar ziellos auf der Wabe umher, um sich anschließend eine Zelle für die Ablagerung des Nektars zu suchen.
Somit hängt die Trocknungsleistung - unabhängig von der Luftfeuchte - auch von der Anzahl der am Trocknungsprozess beteiligten Honigmägen ab. Tagsüber sind das wohl viele Jungbienen, möglicherweise helfen außerhalb der Flugzeiten auch Flugbienen bei der Honigtrocknung aus?
Fragen über Fragen und wie so oft bei den Bienen ergeben sich aus jedem Antwortversuch neue Fragen.
Gruß
Josef
ermetz
 
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