Natürliche Auslese mit Imkerunterstützung - Geht das?

Beehouser

Mitglied
Registriert
18 Dez. 2013
Beiträge
5.030
Punkte Reaktionen
1
Ort
Chiemgau
Imker seit
2011
Eigene Kö Zucht ja/nein
Ja
Hallo liebe Leute,

ich möchte da mal eine Diskussion anregen:

Fragestellung: Ist es möglich über eine SANFTE natürliche Auslese eine Varroatoleranz zu erzeugen?

- Wir haben hier in unserer Gegend sehr hohe Verluste, mancher Imker hat von 20-50 Völker keines oder nur noch ein oder zwei Völker übrig. Ein Imker sagte mir, von diesem wir er nun nachziehen. Könnte man theoretisch davon ausgehen, dass dieses Volk und deren Nachkommen die Viren besser aushält?

- Wenn man das Gotland-Projekt betrachtet, so war dies die radikale Vorgehensweise einer Auslese. Die Völker wurden sich selbst überlassen und dann stellte sich ein Gleichgewicht ein.

- Könnte eine SANFTE Auslese bedeuten, dass man bspw. die Winterbehandlung weg lässt oder Teile der Sommerbehandlung einspart?

- Oder sollten wir auch versuchen eine radikale Vorgehensweise zu tun. Ein gewisses Gebiet (vielleicht eine Landbelegstelle) von der Behandlung aussparen und zu sehen, was passiert?

- Gibt es solche Projekte evtl. irgendwo?

Gruss, Christian
 
Ich könnte mir vorstellen , das so etwas funktioniert, wenn man so etwas macht sollte man einen sehr großen Genpool einbinden, verschiedene Rassen und alle möglichen Gemische. Meist ist es doch so das sich irgendwelche Mischlinge als sehr robust rausstellen, zumindest bei vielen anderen Tierarten, Hunde, Katzen usw usw.
 
Hi Christian,

ich glaube nicht daß für uns Kleinimker so eine "natürliche" Auslese möglich ist.
Denn was ist denn bitteschön hinsichtlich der Varroa bei uns natürlich? Weder ist die Varroa natürlich da eingeschleppt, noch sind die Behandlungsmethoden natürlich. Sobald ein Imker eingreift hat es sich mit der Natürlichkeit.

Woher soll denn ein Imker wissen, WARUM das eine Volk überlebt hat und das andere nicht? Wer weiß schon, wie gut oder schlecht die Wirkung der Behandlung war - warum auch immer?

Züchtet dein Bekannter nun wirklich ein tolleranteres Volk nach? Oder eines, das "zufällig" weniger Milben hatte, oder bei dem die Behandlung letztes Jahr besser gewirkt hat?

Meine Völker haben überlebt. Nicht weil sie die Varroa gut aushalten. Sondern weil sie intensiv behandelt wurden. Sind sie deswegen nachzuchtwürdiger als die Völker von einem Imker, der nicht ganz so fanatisch Milben bekämpft und daher evtl. Völker verloren hat?

Nein, ich glaube nicht daß man aufgrund der aktuellen Verluste irgend eine Auslese machen kann bzw. eine solche stattfindet. Wenn natürliche Auslese funktioniert, dann sicher nicht auf die sanfte Tour - meiner Meinung nach ;)


Ciao,

Nils
 
Ich bezweifle stark, dass beim Gotlandprojekt hauptsächlich eine Bienenauslese stattfand. Es haben eben nur die Varroavarrietäten überlebt, die sich weniger stark vermehrt hatten, sich also an den Wirt anpassten anstatt ihn umzubringen. Daher bezweifle ich stark, dass die Ergebnisse dieser Studie auf das Festland umlegbar sein werden. Zumal wir mit der Behandlung seit etwa 30 Jahren in genau die entgegengesetzte Richtung selektieren (Es überleben die Varroen mit der höchsten Vermehrungsrate). --- Es sei denn, sämtliche Imker verzichten komplett auf Behandlung und nehmen Verlusste von über 90 % in Kauf... --- Sorry ---Selektion auf höherer Putztrieb: Ja --- auf Resistenz: eher Nein --- Ich würde mich aber sehr freuen wenn es doch jemandem gelänge.
 
Hallo,
Beehouser
Grundsätzlich sind solche Genpools wertvoll. Das ist gerade natürliche Auslese. Ob gerade diese Volk wertvoll ist, ist dahingestellt.
Aber denke Dir mal tausend solcher Völker, dann ist da irgendwas sinnvolles dabei. Das ganze Projekt jetzt auf 100 Jahre gesehen und dann sind sichtbare Veränderungen da.
Das nennt man auch Zucht. Vergleiche mal die Bienen heute mit denen vor 60 Jahren.
Mit Grüßen aus Nürnberg
Thomaswk
P.S
Von deiner Radikalmethode halte ich gar nichts
 
Meist ist es doch so das sich irgendwelche Mischlinge als sehr robust rausstellen, zumindest bei vielen anderen Tierarten, Hunde, Katzen usw usw.

Dieses Gerücht höre ich immer wieder. Kennt dazu jemand eine Studie?

Ich kenne nur Mischlingshunde, die alle Probleme der jeweiligen Rassen mitgeerbt haben. z.B.: Mischung aus Spitz, Pekinese und Dackel: Hat durch die Nase weniger Luft bekommen. Die Hinterbeinchen waren die vom Spitz (bei einem Sprung Sehnen an beiden Beinen gerissen). Im Alter Rückenschmerzen.
 
Dieses Gerücht höre ich immer wieder. Kennt dazu jemand eine Studie?

Bei Mischlingen ist die Chance, dass rezessive 'Defekte' homozygot vorkommen im Allgemeinen geringer. Außerdem können dominante vorteilhafte Gene von beiden Ahnenpopulationen vorhanden sein.

Studien und praktische Anwendungen dazu gibt es ausreichend.
 
Studien und praktische Anwendungen dazu gibt es ausreichend.

Was wir alle im Unterricht gelernt haben ist mir klar. Aber offensichtlich können dominante Defekte sich auch kumulieren - es sei denn meine Beobachtungen (sehe sowas ja öfters - kann sich aber auch um selektive Wahrnehmung handeln) sind nur "bedauerliche Einzelfälle". --- Und daher hätte ich gerne zumindest eine Studie gesehen und selbst gelesen die sich mit genau obiger Thematik (und nicht mit den Grundregeln der Vererbungslehre) beschäftigt bevor ich jubilierend der Idee zustimme unsere Bienen mit verschiedenen "Genpools" zu versorgen. Ich brauche keine Biene die bei arktischen Temperaturen durchbrütet, nur weil ein Scherzkeks meinte ohne genaue wissenschaftliche Grundlage den "Genpool aufbessern" zu müssen. - Die Bezeichnung "Scherzkeks" bezieht sich nicht auf Kollegen die in einem Forum im Sinne der freien Meinungsäußerung über einen möglichen Nutzen nachdenken, sondern ich meine (hoffentlich noch) fiktive Personen die einfach mal so eine fremde Bienenart einschleppen wollen.
 
Was wir alle im Unterricht gelernt haben ist mir klar. Aber offensichtlich können dominante Defekte sich auch kumulieren - es sei denn meine Beobachtungen (sehe sowas ja öfters - kann sich aber auch um selektive Wahrnehmung handeln) sind nur "bedauerliche Einzelfälle". --- Und daher hätte ich gerne zumindest eine Studie gesehen und selbst gelesen die sich mit genau obiger Thematik (und nicht mit den Grundregeln der Vererbungslehre) beschäftigt bevor ich jubilierend der Idee zustimme unsere Bienen mit verschiedenen "Genpools" zu versorgen. Ich brauche keine Biene die bei arktischen Temperaturen durchbrütet, nur weil ein Scherzkeks meinte ohne genaue wissenschaftliche Grundlage den "Genpool aufbessern" zu müssen. - Die Bezeichnung "Scherzkeks" bezieht sich nicht auf Kollegen die in einem Forum im Sinne der freien Meinungsäußerung über einen möglichen Nutzen nachdenken, sondern ich meine (hoffentlich noch) fiktive Personen die einfach mal so eine fremde Bienenart einschleppen wollen.

Natürlich können sich auch dominante Defekte anhäufen, sind aber im heterozygoten Zustand meist direkt am Phänotyp oder der Performance erkennbar und deswegen leichter aus der Zuchtpopulation loszuwerden. Man muss schon eine höchst unglückliche Auswahl getroffen haben, wenn man sich aus unterschiedlichen Herkünften gleich mehrere Individuen mit verschiedenen dominanten Defekten nach Hause holt. In natürlichen Populationen werden dominante Defekte nicht oft und lange bestehen.
Eine genetische Last trägt allerdings fast jede Population mit sich mit.


Studien -> Google nach Heterosis oder Heterozygotenvorteil, haben wir doch im Unterricht gelernt..

Praktische Beispiele -> Hybridhühner, Hybridschweine, Hybridsaatgut, Sichelzellenanämie, ...

Zu Deinem Beispiel mit dem kranken Mischlingshund:
Ich habe eine gesunde Mischlingshündin. Sieben Jahre alt und 0 Probleme, schlank, sportlich, kein graues Haar. (Wenn ich einen vitalen Surviver-Hund züchten wollte, würde ich bestimmt nicht mit Spitz, Pekinese und Dackel anfangen!)


Einfach verschiedene Bienenherkünfte zusammenwürfeln wird wahrscheinlich nicht so von selbst funktionieren.

Diese verschiedenen Herkünfte durchzubringen, zu kreuzen und dann eine hohe Anzahl F1 und F2 'sich selbst' zu überlassen, halte ich da (in der Theorie) für geeigneter. Man kann dadurch neuen Kombinationen eine Chance geben.
 
1. Hybride und Mischlinge sind zweierlei Dinge.
2. Will man ja auf spezielle Wert selektieren, da hilft der Mischling nicht weiter (weder beim Hund noch bei der Biene)
3. will niemand die "natürlichen" Verluste hinnehmen
 
1. Hybride und Mischlinge sind zweierlei Dinge.
2. Will man ja auf spezielle Wert selektieren, da hilft der Mischling nicht weiter (weder beim Hund noch bei der Biene)
3. will niemand die "natürlichen" Verluste hinnehmen

*kopfkratz*

1. Hybride sind Mischlinge! -> http://de.wikipedia.org/wiki/Hybride Was sollte denn sonst der Unterschied sein??

2. Will man verschiedene Eigenschaften unterschiedlicher Linien, Rassen, Arten kombinieren geht das in der klassischen Zucht nur über Hybride/Mischlinge mit nachfolgender Selektion. Oder man wartet auf eine spontane Mutation.
(Was soll das eigentlich bedeuten, was Du geschrieben hast?)

3. Das stimmt schon, aber an und für sich muss man keine Verluste hinnehmen, wenn man nicht will. Die Völker, welche mit der Varroa weniger zurecht kommen, werden nicht zur Zucht verwendet, so wie es auch gemacht wird.
Die Angst des Einzelnen vor Verlust ist der Grund, warum so viele Nutztiere ohne Medikation nicht überleben und soviele Pestizide am Feld benötigt werden.
 
Oli hat Recht. Es wird und gab immer auch Verluste unter den Schwärmenden. Es ist nicht nur Bayer und andere lustige Chemikanten, nicht nur die fehlende Nahrungsquelle und die Varroa. Manchmal ist es auch noch die Natur und da sind wir alle ganz schön baff.
 
Könnte man denn nicht sagen, wenn von dem einen Imker von 40 Völker nur 2, von anderen Imker mit 20 Völker eins überlebt haben, dass dies dann eine Auslese ist.
Diese Auslese dann zur Weitervermehrung verwendet, könnte doch in die Richtung Varroa-Toleranz gehen.

Oder sollte ich besser Viren-Toleranz sagen, denn wenn man ehrlich ist - das Problem sind doch eigentlich die von der Milbe übertragenen Viren.
Die Milben wären doch eigentlich egal, oder sehe ich das falsch?

Gruss, Christian
 
Google nach Heterosis oder Heterozygotenvorteil

Mal danke für den Google-Tip. Weiterbildung schadet nie. :h430:

Bis jetzt dachte ich immer, dass eine besonders gute Anpassung an Habitate bzw. eine ökologische Nische eine Einengung des Genpools zur Folge hat... bzw. umgekehrt. Eben da nur auf diese Art rezessiv vererbbare Eigenschaften (die aber einen Evolutionsvorteil bringen) im Phenotyp auftreten.

Hybride sind ein schlechtes Beispiel, da sie ihre positiven Eigenschaften in der nächsten Generation nicht vererben (zumindest in den genannten Beispielen.)

Lieben Gruß
 
Bis jetzt dachte ich immer, dass eine besonders gute Anpassung an Habitate bzw. eine ökologische Nische eine Einengung des Genpools zur Folge hat...
... das ist auch so. Anpassung heißt immer Einschränkung der genetischen Variabilität.
Genetische Variabilität ist ja nicht per se von Vorteil. Man braucht diese allerdings am Anfang der Selektion nach Varroa-Toleranz. Und zwar nur am Anfang des Weges. Nach der Selektion ist davon nicht mehr viel übrig.

Heterosis ist (mit ganz wenigen speziellen Ausnahmen) immer nur für eine Generation im Vorteil gegenüber der Eltergeneration. Heterosiszüchtung ist nur bei Nutztieren und -pflanzen von Vorteil: Weil diese Hybriden höhere Leistungen (Kornertrag, Fleischmasse etc.) bringen.
 
Fragestellung: Ist es möglich über eine SANFTE natürliche Auslese eine Varroatoleranz zu erzeugen?
- Gibt es solche Projekte evtl. irgendwo?
Ich kenne einige Imker (mich eingeschlossen), die schon seit Jahren so selektieren. Meist wird die Sommerbehandlung weggelassen. Manche behandeln nur, wenn die Schadschwelle überschritten wird.
Und ganz wichtig ist: Nur von den Völkern nachziehen, die wirklich besser mit der Milbe zurecht kommen und versuchen von allen anderen Völkern keine Drohnen fliegen zu lassen (Drohnenbrutschneiden, entdeckeln, Absperrgitter vor die Fluglöcher etc.)

Es scheint so, als ob es wirklich sehr langsam in Richtung "niedrigere Varroabelastung" in den Völkern gehen würde. Aber ob sich das in den nächsten Jahren fortsetzt oder wiedermal ein großer Rückschlag kommt, das weiß niemand. Es ist sehr ruhig geworden, die große Euphorie ist verflogen.

Das Problem ist doch, dass wir noch nicht wirklich wissen, worauf wir selektieren sollen.

Eigentlich sollte man das Problem gemeinsam (viele Imker mit vielen Völkern müssen mitmachen!) angehen.
Es scheint ja vielversprechendes Ausgangsmaterial zu geben (AGT - "Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht). Aber das Ausgangsmaterial, welches in den Völkern der "normalen" Imker vorhanden ist, wird auch gebraucht.
 
*kopfkratz*

1. Hybride sind Mischlinge! -> http://de.wikipedia.org/wiki/Hybride Was sollte denn sonst der Unterschied sein??

2. Will man verschiedene Eigenschaften unterschiedlicher Linien, Rassen, Arten kombinieren geht das in der klassischen Zucht nur über Hybride/Mischlinge mit nachfolgender Selektion. Oder man wartet auf eine spontane Mutation.
(Was soll das eigentlich bedeuten, was Du geschrieben hast?)

3. Das stimmt schon, aber an und für sich muss man keine Verluste hinnehmen, wenn man nicht will. Die Völker, welche mit der Varroa weniger zurecht kommen, werden nicht zur Zucht verwendet, so wie es auch gemacht wird.
Die Angst des Einzelnen vor Verlust ist der Grund, warum so viele Nutztiere ohne Medikation nicht überleben und soviele Pestizide am Feld benötigt werden.

Da hast Du was nicht vertanden:
Hybriden sind Mischlinge, ABER nicht alle Mischlinge sind Hybriden (im Sinne des Wortgebrauchs in der Züchtung ;-)
Hybriden sind für mich die Nachkommen der 1. Generation, resultierend aus der Kreuzung zweier REINER Rassen.
Deren Nachkommen sind Mischlinge da niemand weiss was da rauskommt.

Mutation ist wieder was anderes, die kommt INNERHALB einer REINEN Rasse "spontan" vor, nicht durch Kreuzung.

Diese Auslese ist ja das Problem, erstens haben wir es mit 20 (!!!) Viren zu tun, und zweitens kenne ich keine Kös die nach dem Versand auch noch resistente Völker hervorbrachten. Sonst wären "Resistant Bees", Lusby etc. ja alle bereits Millionäre.
 
Vergass:

Mischlinge: das sind hier in dem Zusammenhang die Mischlinge unbekannter Herkunft, Standbegattet.
Wie willst Du Bienen selektieren wenn Du nicht die Drohnen kontrollierst?
Da kommst Du in 1000 Jahren auf kein Ergebnis, Lotto ist da sicherer.
 
Schau doch einmal bei der AGT vorbei und informiere Dich, was die bisher alles unternommen haben.
 
Zurück
Oben