Danke Simmerl,
ich stele den Text des Interviews nun hier ein.
Möchte aber dennoch anregen die Antworten der beiden
genau zu analysieren und zu deuten, was zwischen den Zeilen zu lesen ist.
Ein Beitrag von
www.ARTE.TV, 21.08.2014, Janina Schnoor und Marion Roussey
TEXT:
Insektensterben: Hiobsbotschafter Biene
Wer an Bienen denkt, denkt an Honig.
Aber nicht alle Bienen produzieren Honig und nicht alle leben in Völkern zusammen
– es gibt auch Einzelgänger. Insgesamt gibt es über 600 verschiedene Arten an Wildbienen, erklärt
Dr. Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim.
Doch dank der Imker sind die Honigbienenbestände leichter zu erfassen.
Sterben viele Honigbienen ist das meist der erste Indikator, dass Insekten bedroht sind.
Insektizide sind dabei nicht der einzige Grund, weiß Alexis Ballis,
technischer Berater für Apikultur der Landwirtschaftskammer der Region Elsaß.
Doch besonders eine Form der Pestizide, die Neonicotinoide werden in der EU nun näher unter die Lupe genommen – die EU benannte in Frankreich ein Forschungszentrum, das nun erste Resultate veröffentlichte. ARTE Info hat mit Peter Rosenkranz und Alexis Ballis die Auswirkungen der Pestizide in einem Gespräch analysiert.
Welche Auswirkungen können Neonicotinoide auf Bienen haben? Wie äußern sich diese?
Peter Rosenkranz:
Es sind zwei Dinge zu beachten. Zum einen sind einige dieser Neonicotinoide
schon in kleinen Dosen toxisch für Honigbienen, wahrscheinlich auch für andere Bienen.
Das sind Nervengifte. Das heißt, man hat auch bei Werten, die unterhalb der letalen Konzentration
liegen, also, die die Bienen nicht direkt umbringen, schon Probleme mit Orientierung und Verhaltensänderung.
Man muss dazu sagen, das gilt nicht für alle Neonicotinoide. Im Fokus stehen vor allem drei
Kandidaten aus dieser Gruppe, die mit zu den Bienengiftigsten Substanzen gehören, die wir derzeit im
Bereich der Insektizide haben. Das sind auch die Substanzen, die im Moment von der EU gebannt worden sind,
also wo die Zulassung derzeit ruht, weil man mehr Daten haben möchte, unter anderem auch zu
Hummeln und Solitärbienen, um zu beurteilen, inwieweit die Neonicotinoide negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben.
Haben Sie in den letzten Jahren verstärkt beobachten können, dass Bienenvölker sterben?
Alexis Ballis:
Nicht wirklich. Diesen Winter haben wir zum Beispiel 7 % Verlust bei den
Bienen in der gesamten Region Elsaß festgestellt. Das ist weniger als der
Jahresdurchschnitt von 10 %. Die Verluste können je nach Jahr bis zu 20% bis 30 % betragen.
Die Imker kompensieren das, indem sie mehr Bienen züchten.
Neonicotinoide betreffen nicht nur Honigbienen. Welche Insekten leiden noch unter den Pestiziden?
Peter Rosenkranz:
Hundertprozentig weiß man nicht, wie viele Insekten in welchem Umfang auf Neonicotinoide reagieren.
Es ist anzunehmen, dass eben auch die Verwandten der Honigbiene, also Wildbienen und
Hummeln empfindlich auf Neonicotinoide reagieren, wobei wir dazu bisher wenig Daten haben.
Es gibt erste Veröffentlichungen, die zeigen, dass zum Beispiel Hummelköniginnen sehr empfindlich auf geringe Dosen
von Neonicotinoiden reagieren.
Weshalb gibt es in erster Linie Daten zu Honigbienen?
Peter Rosenkranz:
Honigbienen sind natürlich recht gut erfasst, weil wir fast keine wildlebenden
Honigbienen in Deutschland haben. Fast 95 Prozent des Honigbienenbestandes
ist in Imkerhand. Und da die Imker im Allgemeinen gemeldet sind, können wir sehr
gut verfolgen, wie sich die Population von Honigbienen im Laufe der Jahre entwickelt.
Man kann sich vorstellen, Hummeln und Solitärbienen in der freien Landschaft sind über
Jahre schwierig zu erfassen. Es gibt ein paar Daten von Kollegen aus den Niederlanden und England,
die dortige Bestände über Jahrzehnte erfasst haben. Diese Daten zeigen, dass die Population
zum Teil dramatisch zurückgeht, dass bestimmte Arten in bestimmten Gebieten verschwinden
– was dann aber sicher mehrere Gründe hat.
Was sind andere Gründe für das Sterben von Bienenvölkern?
Alexis Ballis:
Man kann drei Faktoren unterscheiden. Der erste Faktor ist die Verarmung ihres Lebensraumes:
Einige Pflanzen wachsen in Gebieten, in denen Bienen siedeln, nicht mehr oder kaum noch.
Zum Zweiten gibt es immer mehr Krankheiten durch Parasiten, Viren und Bakterien.
In Frankreich sind wir seit etwa dreißig Jahren mit der Verbreitung der Varroa Milbe konfrontiert,
ein Parasit aus Asien. Sie ist der Staatsfeind Nr 1 der Biene. Er breitet sich in allen Regionen Frankreichs
aus und verschärft die Probleme, mit denen die Biene sowieso schon konfrontiert ist.
Und der letzte Grund ist eng mit der Imkerei selbst verbunden, Bienen sterben auch durch menschliches Versagen.
Dieses Argument wurde vor allem von den pflanzenpharmazeutischen Unternehmen hervorgehoben und es ist wahr,
dass Imker viel Verantwortung tragen, wenn sie zum Beispiel ihre Bienen überwintern lassen ohne sie ausreichend
gegen die Varroa Milbe behandelt zu haben.
Wieso ist der Einsatz von Neonicotinoiden nicht gleichbedeutend mit Bienensterben?
Peter Rosenkranz:
Ein Problem ist, dass unter Bienensterben meistens unterschiedlich Dinge verstanden werden.
Die meisten Leute sehen dabei die Honigbiene. Dabei muss man hinterfragen, ob es darum geht,
dass einzelne Honigbienen eingehen – das ist kaum vermeidbar und passiert auch beim Rasenmähen und ähnlichem.
Ein Bienenvolk hat im Sommer 30.000 Bienen, das heißt, wenn da 100 Bienen sterben,
ist das etwas was das Bienenvolk als Organismus im solchen nicht stark beeinflusst.
Das ist natürlich bei Hummeln und Solitärbienen etwas anderes. Hinzu kommt bei den Honigbienen,
dass der Imker die Hauptverantwortung dafür trägt, ob es das Bienenvolk überlebt oder nicht. Sprich,
er kann es zum Beispiel aus Gebieten wegstellen, wo es Probleme gibt – sei es schlechte Nahrungsversorgung,
sei es der Einsatz von Pestiziden. Er kann die Bienen auch füttern und er kann sie gegen Krankheiten behandeln.
Aber die Tatsache, dass ein Bienenvolk es nicht über den Winter schafft, kann auch durch Krankheiten verursacht
werden und es ist schwierig diese Bilanz auf einen Faktor, nämlich die Neonicotinoide zu reduzieren.
Wie viel Verantwortung trägt der Imker für die Gesundheit seiner Bienen?
Alexis Ballis:
Ein Imker muss Risikofaktoren voraussehen, die seine Bienen gefährden könnten:
schlechtes Wetter kombiniert mit Bakterien macht die Biene sehr anfällig für andere Faktoren.
In letzter Zeit begeistern sich immer mehr Privatpersonen für Bienen. In immer mehr Gärten, werden Bienenstöcke aufgestellt –
um die Bienen zu retten. Ich halte nichts davon, Bienevölker wie Hunde zu adoptieren, ohne professionelle Imkerkenntnisse zu haben.
Damit riskiert man, die Entwicklung von Bakterien und Viren zu fördern, die dann auf lange Sicht auch andere Bienenstöcke befallen.
Welche Auswirkungen hat das Insektensterben auf das Ökosystem?
Peter Rosenkranz:
Wir diskutieren ja schon seit 10 bis 15 Jahren weltweit, dass wir sehr große Probleme mit dem Rückgang
der Bestäuber haben. Also Bestäuber sind jetzt Honigbienen natürlich – die haben eine ganz besondere Rolle,
aber dazu gehören eben auch Wildbienen, dazu gehören auch Schwebfliegen, dazu gehören teilweise Käfer und Schmetterlinge.
Das heißt insgesamt, diese Bestäubergilde, die wichtig ist für die Landwirtschaft, für Wildpflanzen, die nimmt nachweislich ab.
Das ist in den Tropen teilweise verbunden mit der Abholzung des Regenwaldes und hier eben auch mit Landschaftsverbrauch.
Das heißt, es sind nicht ausschließlich die Insektizide, die dafür verantwortlich sind, sondern auch Verlust des Lebensraumes.
Dadurch geht die Biomasse zurück, also es gibt weniger Wildpflanzen. Das heißt dann auch weniger Nahrung für andere Tiere,
wie Vögel und Kleinsäugetiere. In der Landwirtschaft kann man das teilweise ausgleichen durch Honigbienen, indem man Honigbienen
in diese Kulturen rein stellt. Ein drastisches Beispiel ist die Mandelproduktion in Kalifornien, wo doppelt so viele Bienenvölker wie es in
ganz Deutschland gibt, allein für die Bestäubung der Mandelbäume verwendet wird. Aber das ist natürlich keine Lösung.
Deshalb sollte der Schutz von Insekten und Erhöhung der Artenvielfalt im Gesamtinteresse sein
– aus ökologischer, aber auch aus ökonomischer Sicht.
TEXT ENDE
VG
Hagen