Interview Prof. Dr. Tautz -Völker unter Stress

Josef Fleischhacker

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Hier ein Auszug eines Interviews der deutschen Radiofunks mit Prof. Dr. Tautz. Hier wird ein Versuch unternommen, um für das Massensterben der Bienenvölker eine Erklärung zu finden.



Biologie. - In den USA hat ein rätselhaftes Bienensterben stattgefunden. An der Westküste sind offenbar rund 60 Prozent der Völker, an der Ostküste und in Texas bis zu 70 Prozent ausgestorben. Der Bienenexperte Professor Jürgen Tautz von der Universität Würzburg erklärt die Probleme der Bienen im Gespräch mit Ralf Krauter.

Krauter: Herr Professor Tautz, mit welchen Tricks suchen die Bienenforscher nach Antworten?

Tautz: Die Biene ganz generell, also das ist ein Staaten bildendes Insekt, das ganz massiven Krankheitsrisiken ausgesetzt ist, nicht zuletzt durch die sehr, sehr große Populationsdichte in den Stöcken: 40.000, 50.000 Bienen in buchstäblicher ständiger Tuchfühlung. Man kann sich gut vorstellen, dass die geringste Infektion, die von wenigen Bienen in den Stock eingebracht wird, sich rasant ausbreitet und zu einem kompletten Zusammenbruch der Völker führen könnte. Und aus dem Grunde dieses sehr, sehr hohen Pathogen-Druckes auf diese Bienen hatten die Bienen im Laufe ihrer etwa 30 Millionen Jahre dauernden Evolution eine ganze Reihe von Abwehrfronten entwickelt, mit denen sie sich gegen diese Pathogene zur Wehr setzen. Das sind sechs Abwehrfronten, die wir bis jetzt identifizieren konnten und die sehr stark miteinander vernetzt sind. Das beginnt also zum Beispiel alleine mit der Architektur des Nestes, wie das angelegt wird, wie das Nest klimatisiert wird, dann die Physiologie der einzelnen Bienen bis zum Bienenblut, genau wie bei uns Menschen auch, das Immunsystem der Biene ist außerordentlich differenziert. Und diese ganzen verschiedenen Schichten dieses Netzwerkes, die interagieren, machen ein ganz komplexes fein ausbalanciertes Ganzes, und man kann sich sehr gut vorstellen, dass Stresssituationen, die durch Stressfaktoren zustande kommen, die sehr unterschiedlich ausfallen können, also sei ist mit der milden Witterung, das Futterangebot ist nicht divers genug, sei es tatsächlich ein neu auftretender Parasit, der dieses feine System dann zum zusammenbrechen bringt.

Krauter: Das erstaunliche ist ja, Sie sagten es, 30 Millionen Jahre lang hat dieses System offenbar funktioniert. Jetzt nicht mehr, jedenfalls in Teilen, zum Beispiel den USA. Was weiß man denn aus der Geschichte? Können sich Populationen nach solch starken Dezimierungen überhaupt noch einmal regenerieren?

Tautz: Also auch das ist ein Punkt, für den wir uns in unserer Wissenschaft interessieren, in unserer Gesundheitsforschung an Honigbienen. Also wir nennen das Gesundheitsforschung, nicht weil es positiver klingt als Krankheitsforschung, sondern weil wir genau dem auf die Spur kommen wollen, wie können Bienen eigentlich, die Völker, sich durch solche Krisensituationen durch retten. Von außen betrachtet sieht man entweder ein Bienenvolk in Aktivität, man sieht fliegende Bienen vor allen Dingen am Bienenvolk, oder man erlebt ein totes Bienenvolk und nichts dazwischen. Und genau diese Stadien dazwischen sind es eigentlich, die uns in der Wissenschaft sehr spannend vorkommen. Der Punkt, den Sie ansprechen, wie das früher gewesen ist, oder ob das jetzt eine ganz besondere Situation ist? Da muss man schon feststellen, dass es den Bienen auch nicht anders geht als uns Menschen, dass die Umgebung, die wir den Bienen zumuten und die wir uns ja auch zumuten, dass das ein ganzes Bündel von Stressfaktoren mit sich bringt, die auch das kräftigste und das nachgiebige System irgendwann einmal zum Anschlag bringen. Und man muss vermuten, dass das in Amerika jetzt der Fall gewesen ist.

Krauter: Weiß man denn schon, welche Schutzmaßnahmen eventuell helfen könnten? Also es geht ja nicht zuletzt um wirtschaftliche Auswirkungen. Fünf Milliarden Euro habe ich gelesen. Auf diese Summe beziffern Experten die jährliche Bestäubungsleistung von Bienen in Europa. Da müsste eigentlich was getan werden, oder?

Tautz: Ja, absolut richtig. Also die Biene ist sowohl im Naturhaushalt, als auch in der modernen intensiven Landwirtschaft nicht weg zu denken. Da geht es also, wie Sie richtig festgestellt haben, nicht um Wachs und Honig, der wird im Notfall aus dem Ausland importiert. Was nicht importiert werden kann, ist die Bestäubung. Die Bestäubungsleistung, diese Leistung ist auch durch einheimische andere Insekten, deren Erhalt natürlich außerordentlich wichtig ist, aber nicht zu ersetzen. Also Hummeln, solitäre Wildbienen, Wespen, Fliegen, Schmetterlinge, Käfer, alles das kann diese gigantische Bestäubungsleistung, die von den Honigbienen erbracht wird, nicht ersetzen. Sie müssen sich vorstellen, dass ein Honigbienenvolk täglich bis zu mehreren Millionen Blüten besuchen kann, und das den ganzen Sommer über hoch motiviert ist....

Krauter: Was könnte man denn tun, um den Bienen das Leben zu erleichtern?

Tautz: Also, was hierzulande passiert, in Deutschland, da ist ein hervorragendes Monitoring System aufgebaut, das verfolgt die Zustände der Bienenvölker, die Verlustfrequenzen werden aufgezeichnet, die Probleme werden versucht, möglichst frühzeitig zu erkennen, das ist der Beginn sozusagen eines soliden Systems. Das muss aber ergänzt werden durch mehr Wissen, da ist einfach mehr Grundlagenforschung auch notwendig, Wissenschaft, die Grundlagenforschung, und die Praxis müssen Hand in Hand einhergehen hier, um vielleicht eines Tages solchen Katastrophen tatsächlich begegnen zu können.



Herzlichen Dank für diesen Auszug.
 
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