Varroa-Befallsdiagnose: Fallstricke bei der Windeldiagnose

stylex

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Bruträhmchen entnehmen, einen Teil Drohnenbrut schneiden, rechtzeitig erweitern
Liebes Forum,

nachdem ich bei der Forensuche zum Thema "Windel-Diagnose, was man beachten sollte" und "Fehlerquellen" außer einem Faden aus 2008 zum Thema wie der Boden gestaltet sein sollte (Link: >>hier<<) nichts gefunden habe, selber aber viele Fehlerquellen für mich gesehen habe, und ich das Thema sehr wichtig finde, möchte ich hier gerne mit Euch gemeinsam Fehlerquellen finden, um negative Überraschungen und daraus folgend Völkerverluste zu vermeiden, und gerne Meinungen/Erfahrungen dazu sammeln.

Folgende Fehlerquellen sind mir dabei eingefallen:

1) Viele Milben bleiben auf dem Gitterboden liegen und fallen gar nicht durch bis auf die Windel
Ich habe als Bodeneinlage z.B. ein gestanztes Stück Plastik. Da die Windel unter diesem Plastikstück eingeschoben wird, bleiben zwei drittel aller Milben auf dem Gitter liegen und nur ein drittel fällt durch auf die Windel.
2) Viele Böden sind so gebaut, dass Milben hängen bleiben
Manche Böden haben Ecken und Kanten, vor allem am Rand, bei denen sich Milben verhakeln und nicht nach unten durchfallen können. Ein geeigneter Boden muss komplett rundherum ohne Kanten sein, damit die Milben herunterfallen können. Oftmals liegen Milben auch auf einer Bausperre, die gerne mal vergessen wird herauszunehmen. Oder auf den Schubladen-Schienen.
3) Wenn die Windel dauerhaft im Kasten liegt, tragen Insekten die Milben weg.
Die Windel sollte nicht zu lange eingeschoben sein, weil z.B. Ameisen es schnell bemerken, wenn da stetig Honigtropfen oder andere Leckereien herunterfallen. Drei Tage werden häufig als Richtwert genannt, ein Eincremen mit Öl oder Raupenleim ist dann nach dem was ich lese oder auch von Bieneninstituten im Netz bei Youtube sehe, nicht erforderlich, allerdings sollte die Windel dann auch wirklich herausgenommen werden, ansonsten braucht man Mittelchen, die ein Wegtragen verhindern.
4) Wildbau verhindert manchmal ein Durchfallen der Milben.
5) Die Volksgröße wird oft nicht berücksichtigt

Die Windel wird sowohl bei drei-Waben-Jungvölkern mit 5000 Bienen, als auch bei zweiräumigen Wirtschaftsvölkern mit 40'000 Bienen eingesetzt, und oft über einen Kamm geschert, was der Milbenfall bedeutet. Es kann nicht die selbe Aussagekraft haben, die Volksgröße muss beachtet werden!
6) Befalls-Bewertung falsch bei Brutscheunen (BS) / Sammelbrutablegern (SBA)
Wenn ich einen großen SBA bilde oder eine BS, ist zwingend ein deutlich höherer Milbenfall zu erwarten. Denn die Milben sind hauptsächlich in der Brut und auf den Ammenbienen, und wenn ich einen starken SBA bilde, habe ich hier einen hohe Konzentration. Bei einer Aufteilung in einen Brutteil und einen Fluglings-Teil sind dagegen im Fluglings-Teil von Haus aus deutlich weniger Milben.
7) Der Wind, das himmlische Kind
Ich wohne in einer Gegend, in der fast immer Wind und Sturm ist. Die Milben bleiben bei uns in der Gegend gar nicht auf den Schubladen liegen, viele werden einfach herausgeblasen. Wenn ich dann zähle, ist das Ergebnis daneben.
8) Wintertraube verhindert Milbenfall
Je nachdem, wie fest die Wintertraube sitzt, hat das einen guten oder schlechten Einfluss auf den Milbenfall. Wenn sich eine Traube lockert, können plötzlich viele Milben auf einmal fallen, die vorher festsaßen - das verfälscht das Ergebnis
9) Was passiert gerade im Volk? Bewertung des Ergebnisses
Je nachdem, in welcher Phase sich das Volk befindet, hat die Milbenanzahl eine unterschiedliche Aussagekraft. Wenn ein Volk gerade geschwärmt ist, oder die Königin gerade eine brutfreie Phase macht, oder viele Bienen schlüpfen gerade, oder wenige, es ist ein Unterschied. Die Königin legt nicht an jedem Tag konstant gleich viele Eier, daher schlüpfen auch nicht an jedem Tag gleich viele Bienen und es fallen nicht gleich viele Milben.
10) Verflug, Einbetteln, Vereinigung oder Aufteilung des Volkes beeinflussen die Milbenanzahl
11) Zählen der Milben ist aufwendig, Messung des Behandlungserfolgs

Das ist kein Punkt gegen die Methodik, aber wenn ich nach einer Behandlung 1000 Milben zählen soll oder mehr, um irgendetwas festzustellen, dauert es doch schon eine Weile. Und nur schätzen "es sind viele/wenige Milben" reicht oft nicht, um einen Behandlungserfolg korrekt einschätzen zu können, der Milbenfall erstreckt sich oft auf Wochen, man muss daher mehrfach zählen, und am Ende einschätzen, ob eine weitere Behandlung notwendig ist, oder ob genug Milben erwischt wurden.

Diese Aufzählung ist sicher nicht komplett, über weitere Fallstricke oder Erfahrungen/Einschätzungen, wie ihr das seht, würde ich mich freuen.

Insgesamt ist die Windeldiagnose - richtig angewendet - denke ich eine gute Methode zur Diagnose und schonend für die Bienen. Aber vielen Kolleg*Innen passieren hier oft Fehler, die am Ende hohe Völkerverluste zur Folge haben, "dann muss es an was anderem gelegen haben, ich hab ja gezählt", und hier kann man deutlich besser abschneiden und wird früher gewarnt, wenn man vielleicht einige Fehler vermeidet.

Schöne Grüße - Matthias
 
Danke Matthias für den sehr interessanten Thread, ich habe ziemlich diesselben Erfahrungen!

Ich beobachte jedes Jahr zur Löwenzahnblüte wenn die Bienen gelb eingestäubt heimkehren - zu dieser Zeit ist der natürliche Milbenabfall meist noch bei Null - daß plötzlich Milben abfallen, sehr wenige zwar, ca. 1 bis 3 pro Tag und Volk, ich kann daraus nur schließen daß dies wie das einpudern wirkt und sich die Milben auf den mit Blütenstaub bedeckten Bienen nicht halten können, herunterfallen und auf der Windel verenden. Ist die Löwenzahnblüte vorbei oder ein Regentag ohne Flug ist der Abfall wieder bei Null.

Diese Milbenreduktion ist sowenig daß sie nicht oder so gut wie nicht ins Gewicht fällt, aber interessant zu wissen und daß keine Behandlungsmaßnahem deswegen notwendig ist, hier überzureagieren wäre z. B. ein Fallstrick.
 
Ich kenne das auch alles, ich habe hier auch permanent Wind, teils viele Ameisen die die Windel wieder saubermachen. Ich mache mittlerweile keine Diagnose mehr. Die Behandlung die ich mache , ist bei allen Völkern gleich, pragmatisch gesehen ist es egal, wie viele Milben sie haben.
 
Die Behandlung die ich mache , ist bei allen Völkern gleich, pragmatisch gesehen ist es egal, wie viele Milben sie haben.
Moin Volker,
es haben viele ausprobiert und sind mit individuellen Behandlungskonzepten auf die Nase gefallen, auch ich werde es ausprobieren und vielleicht mit einem individuellen Behandlungskonzept auf die Nase fallen. Es gibt ein paar Punkte, die für eine solche Behandlung sprechen:
1) Auswahl und Zucht immer der Völker mit dem geringsten Varroabefall führt am Ende hoffentlich zu Bienen, die besser mit der Milbe klarkommen,
2) Arbeit-, Kosten- und Materialersparnis.
Zeitersparnis wird es wohl nicht geben (wegen Zeitaufwand für die Diagnostik), aber wenn ich eine gute Diagnostik habe, wird das schon einiges bringen, zumindest bei der für mich aktuell angewendeten Methode "TBE nach der Sommerhonigernte". Hier plane ich, die TBE nur bei den höher befallenen Völkern durchzuführen, und bei den anderen Völkern weiter zu beobachten und je nach Wetterlage/Temperatur bis zur dritten Septemberwoche zu entscheiden, ob die doch nochmal das Schwammtuch brauchen oder ob eine Winterbehandlung mit Oxalsäure träufeln am Ende langt.
3) Weniger behandeln bedeutet weniger Eingriffe und damit eine Möglichkeit weniger, z.B. die Königin zu quetschen.

Es gibt sicher noch weitere Punkte, eine gute Diagnostik ist der Schlüssel, wenn ich das nicht erreiche, habe ich diese Schlacht verloren und die Bienen müssen es am Ende ausbaden.

Zu Fallstricken z.B. bei der Puderzuckermethode habe ich vor ein paar Tagen was geschrieben, Link >>hier<<, da habe ich dieses Jahr genau das Problem bei zwei Völkern. Ein wichtiger Punkt zur Diagnose und ein "learning": Wenn man eine neue Methode anwendet, sollte man die Ergebnisse mit einer bereits bekannten Methode abgleichen, um sicherzustellen, dass man nicht total danebenliegt - das war bei mir dieses Jahr leider teilweise der Fall. Bis man mit der neuen Methode sicher genug ist, dass das passt. Schöne Grüße - Matthias
 
aber wenn ich eine gute Diagnostik habe, wird das schon einiges bringen, zumindest bei der für mich aktuell angewendeten Methode "TBE nach der Sommerhonigernte". Hier plane ich, die TBE nur bei den höher befallenen Völkern durchzuführen, und bei den anderen Völkern weiter zu beobachten
...die Herausforderung dabei ist meiner Meinung nach, dass der Varroa-Anstieg zu der Zeit, wo Du es entscheiden musst noch recht steil ist. Du diagnostizierst, dass wenig Milben auf den Bienen sitzen und in der Brut sind schon deutlich mehr. (aber wie viele mehr?)
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du weiter berichtest, ob/wie das funktioniert.
LG Börni
 
Hallo Börni,
Ja genau das ist der Punkt. Deswegen muss ich die Temperatur im September im Blick behalten, sonst habe ich keine Handhabe mehr wie AS. Und Brut raus bedeutet dann "Winterbienen weg".
Ich werde berichten.
Schöne Grüße - Matthias
 
Nach meiner nun mehr als 10jährigen Erfahrung ist der richtige Ansatz, die Vermehrung der Varroa ende Juni/anfangs Juli zu durchbrechen, entweder mit einer 24tägigen Internierung oder einer TBE nach 12tägiger Internierung der Königin. Dann greift jede Behandlung wirksam, denn es sind nur Milben auf den Bienen. Anschliessend lässt sich der Schlupf der neuen Brut gut bestimmen und der natürliche Varroenfall lässt einen zuverlässigen Schluss auf die aktuelle Belastung zu. Darauf kann man die weitern Behandlungs-schritte aufbauen.
Bei meinen Völkern ist nach der OS Behandlung bis zur Winterbehandlung keine Behandlung mehr notwendig - und selbst diese nicht in allen Fällen.
Christian
 
mit einer 24tägigen Internierung oder einer TBE nach 12tägiger Internierung der Königin.
Hallo Christian,
danke für deinen Erfahrungsbericht. In welcher Art Käfig genau internierst du die Königinnen (10x10cm Scalvini-Käfig, Bannwabentasche 1 Rähmchen, Bannwabentasche 2 Rähmchen, Entnahme der neuen Brut nach Verdeckeln?), und bei wie vielen Völkern? Und wie oft geht dabei eine Königin hops? Ich habe mir sagen lassen, die Verlustrate sei angeblich ziemlich hoch und die Leistung der Königin würde beim falschen Käfig massiv nachlassen.

Von der Sache her könnte man dann auch gleich jedes Jahr die Königin direkt im Juli nach der Sommerernte komplett entfernen, die nachschaffen lassen, ohne die Internierungsgeschichte, oder? 16 - 2 + 7(10) = ein kurzes brutfreies Fenster... (Entwicklungszeit Königin - zweitägige Larve + 7-10 Tage Begattungsflug und Nachschaffungskönigin erneut in Eilage)?

Ich für mich setze die Windel momentan (fast) nicht wegen der Milben ein, sondern ab Februar, um den Volksaufbau im Frühjahr zu fördern durch weniger "Durchzug" und dadurch besseren Wärmehaushalt (wie schon geschrieben, haben wir extrem viel Wind hier, was der Frühjahrsentwicklung abträglich sein kann).

Schöne Grüße - Matthias
 
hallo Matthias
Du findest eigentlich auf alle diesbezüglichen Fragen eine Antwort in den folgenden Themen:
Brutstopp durch Internieren der Königin ab Beitrag 103
https://www.bienenforum.com/community/threads/brutstopp-für-behandlung-durch-internierung-der-königin.12438/page-6
Meine 5 B Strategie (eigentlich ein modifiziertes Bannwabenverfahren für den CH HB)
https://www.bienenforum.com/community/threads/meine-5-b-grundlage-meiner-varroa-strategie.6052/
Brutbeschränkung versus Brutstopp
https://www.bienenforum.com/community/threads/brutbeschränkung-versus-brutstopp.14125/

ich weiss, es ist fast nicht mehr überschaubar...dazu käme noch "Vorsichtige Schritte richtung Behandlungsfreiheit"
https://www.bienenforum.com/communi...-schritte-richtung-behandlungsfreiheit.15569/

Christian
 
Du findest eigentlich auf alle diesbezüglichen Fragen eine Antwort in den folgenden Themen
ich weiss, es ist fast nicht mehr überschaubar...
Hallo Christian,
ich habe noch nicht alles gelesen, das mache ich beizeiten. Danke für deine Antwort und für die Verlinkungen, ich selber habe auch keine Lust, die selben Sachen immer wieder zu schreiben.
Dir einen schönen Start in die neue Woche! Schöne Grüße - Matthias
 
Ein paar handfeste Antworten auf deine Fragen stelle ich aber gerne ein:
Meine Internierungskäfige sind Eigenbau ( ca 15 X 15 cm ) entsprechend einem Viertel einer CH Brutwabe. (24 Tage)
Als "Bannwaben" verwende ich zwei CH Brutwaben als Abschluss hinter dem ASG Im CH Hinterbehandlungskasten (12 Tage)
Entnahme immer aller Brutwaben in beiden Verfahren und setzen auf neuen Bau (Mitte Juli bis anfangs August)
Völkerzahl 12 - 15.
Königinverlust beim "Bannwabenverfahren) keine
Königinnenverlust beim 24tägigen internieren weniger als 10 %
Legeleistung der Königinnen ungebrochen bei beiden Verfahren
Als Rassenzüchter der Dunklen Biene sind Nachschaffungen nicht mein Ding - ich weisle nach Bedarf beim Abwischen auf neuen Bau gleich eine neue Königin ein.
Ich verwende 5.1 Mittelwände.

Christian
 
Hallo Christian, danke Dir für Deine kompakte Antwort, das hilft schonmal sehr weiter! Die dunkle Biene müsste eigentlich ich hier haben statt Carnica Landrasse :)
Sorry noch fürs kurze OT
Schöne Grüße - Matthias
 
Bisher bin ich gut gefahren damit, aber wer weiß , es gibt immer wieder Überraschungen. Einen Milbenverlust, habe ich zu vermelden, das ist ein Schwarm den ich dieses Jahr Ende Juli, /Anfang August noch gefangen hatte, bei denen habe ich die Milbenlast definitiv unterschätzt. Ich hatte keine Brutentnahme gemacht, weil schon recht spät im Jahr, dachte jetzt im Herbst wird ok sein. Falsch gedacht, wieder etwas gelernt.
 
Nr 8 könnte bei mir gerade der Fall sein es gab jetzt nochmal richtiges Flugwetter und nahe 20Grad nach vorherigen knappen null in den Nächten. Ich werde wohl ein Wochen Mittel ziehen müssen denn die aktuelle Zahl an 24h gefallenen Milben da bin ich weit über den 2Stk am Tag die ich mal gelesen hatte.
 
Nr 8 könnte bei mir gerade der Fall sein es gab jetzt nochmal richtiges Flugwetter und nahe 20Grad nach vorherigen knappen null in den Nächten. Ich werde wohl ein Wochen Mittel ziehen müssen denn die aktuelle Zahl an 24h gefallenen Milben da bin ich weit über den 2Stk am Tag die ich mal gelesen hatte.
Die richtige Wintertraube war zumindest bei uns noch nicht da. Im Zweifelsfall gehe ich von einem eher zu hohen Befall aus, es sei denn die Tage und Wochen vorher war ein niedriger natürlicher Milbenfall und dann als es warm wurde, plötzlich ein paar Tage hoher Milbenfall. Die Auflistung soll nicht dazu verleiten, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Sondern sich dessen bewußt sein, was alles schief laufen kann, so dass man dieses Diagnoseverfahren korrekt anwenden kann. Genau wie bei mir ein Fehler in der Anwendung der Puderzucker-Methode zu einer falschen Aussage über die Milbenbelastung führte, so dass plötzlich nicht 1,5% Befall da war, sondern über 30% Befall.
Schöne Grüße - Matthias
 
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